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keit zu foppen und zu hänseln oder, um mit dem Volke selbst zu reden, „jemand zum Narren zu haben."
Kein Volköredner, der dieses Bedürfniß unbefriedigt lassen dürfte. Kein Volksbuch, das nächst der Bibel so verbreitet wäre als Till Eulenspiegcl. Während das Ideal sich in den Kreisen der Bauersleute und kleinen Handwerksmeister, ihrer Knechte, Mägde und Gesellen mit Mühe seine Gläubigen sammeln muß, findet die Karrikatur Freunde, sobald sie sich zeigt, und während da, wo es den Leuten wohl ist, Gedanken an die höhere Welt gewöhnlich für den Sonntag aufgehoben bleiben, spielen Gedanken an die verkehrte ihre Rolle alle sechs Werkeltage hindurch, fast so oft. als man von der Sorge um den Erwerb ausblickt.
Nach Beispielen dafür haben wir nicht weit zu gehen. In Masse finden sich in der Ausdrucksweise namentlich des plattdeutsch redenden Volkes Sprichwörter, denen ein Erfahrungsfall angehängt ist, welcher wie ein spöttisch wedelndes Schwänzchen der darin eingeschlossnen Moral in die Augen schlägt, sie ironisch vernichtet. Uebernll in Schenken nnd Herbergen, wo der Kartcn- könig den Gästen nicht den Mund schließt, foppt man sich mit Räthseln, sticht man Sylben, schmiedet man Lügen von spashaster Handgreiflichkeit. Zahlreich sind in unserm Mnrchenschatz die humoristischen Juwele der dummen Jungen, die zu Sieg und Ehre gelangen, der von der Einfalt übermeisterten weisen Herren, der in ihren eignen Schlingen gefangnen und grausam geprellten Teufel. Jedes Dorf, jedes Bataillon, jede größere Werkstatt besitzt ihren Narren, jede Stadt eine oder mehre Stadtsiguren, die niemals ganz reines Naturprodukt, sondern mehr odor minder vom dichtenden Humor der Nachbarn höher in das Gebiet des Grotesken gehoben worden sind. Kaum wird sich eine bedeutendere Genossenschaft finden, die nicht in einem Bramarbas, einem Sonderling, einem Urgrobian, Pechvogel, Confusionsrath oder Lügenschmied in ihrer Mitte Gelegenheit hätte, ihrer Lust, das Burleske noch burlesker zu machen. Genüge zu thun.
Diese Lust am Komischen ist dann weiter gegangein höher hinauf und mehr in die Breite. Echter Humor ist souverän. Er kehrt sich an keine Schranke, kennt keine Vornehmheit, schiert sich nicht um Gott und den Teufel. Wie er sich an den König der Hölle gewagt und ihn mehr als einmal er- bärmlich geprellt hat, ist erwähnt. Aber auch die himmlische Welt, die Heiligen, die Apostel, vor Allein Petrus, beim Volk als Großsprecher und Verleugne seines Herrn übel angeschrieben, haben ihm herhalten müssen. Selbst Christus hatte sichs gefallen zu lassen, daß ftinen ernsten Zügen ein schalkhaf- ter beigemischt und daß den Geschichten von seinem Wandel auf Erden der eine und der andere, freilich harmlose Schwank angefügt wurde. Von Gott Vater endlich weiß der Volkswitz, daß er der erste Schneider und Kürschner
Grcnzbvten II. 1860, 52