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Palermo.
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Wahre Schönheiten dagegen habe ich sowohl unter ihnen als unter den männlichen Bewohnern Palermos nur höchst sparsam gesunden.

So ist der Eindruck, den eine erste Durchwanderung Palermos auf den vom Festlande herüberkommenden Reisenden hervorbringt, der, daß er ein ganz neues Ge­biet, daß er erst jetzt das geträumte Reich des Südens betreten habe. Er fühlt sich in einer neuen, wärmeren, poetischeren Atmosphäre, und mit schon halb befriedigter Erwartung sieht er den Wundern entgegen, welche die Insel setzt vor ihm entfalten soll.

Wir hatten eine Menge von Kirchen durchwandert, wie die des Nonnenklosters Martorana, eine bunte Musterkarte aller möglichen Ttylartcn; die von Santa Maria di Porta Salva mit ihrer herrlichen etwas an die Loggia äe' erinnernden Vorhalle

im Nenaissanccgeschmack des 15. Jahrhunderts; den ehrwürdigen Tempel von San 6io- vs-nni clegli IZremiti; hatten die Hofe und Gemächer des im Ganzen unbedeutenden Nesi- dcnzschlosscs besichtigt, das nur noch schwache Spuren der alten arabischen Citadelle zeigt und in dem Niemand Etwas von einem Saale Friedrichs II., den wir suchten, wissen wollte; und betraten endlich die unter dem Namen der Os-xpellk reale oder Mlatina bekannte Kirche des Palastes. Kaum hat irgend ein Gotteshaus zwischen Mittclmecr und Nordsee einen tiefern und nachhaltigeren Eindruck auf mich hervor­gebracht. Von König Nogcr II. in der ersten Hülste des 12. Jahrhunderts errichtet, ist sie in jenem eigenthümlichen normannisch-maurischen Style gebaut, der in der weit größeren Kathedrale von Monrealc die Bcwuudcrung aller Reisenden in Sicilien auf sich zieht. Aber die letztere enthält doch, zumal in der Außenseite und den Scitentapellen, mancherlei fremde und störende Elemente; hier dagegen erscheint das Ganze theils trefflich erhalten, theils nicht minder trefflich rcstaurirt wie aus einem Gusse. Dabei offenbart sich hier noch ein feine­rer Sinn für das Schöne in den Verhältnissen, in den Farbenzusanimenstcllungen und den Mvsaikbildcrn selbst und ein unendlich größerer Glanz in der prächtig bun­ten Teppichweberei der Ornamente. Der Stoff der Säulen ist abwechselnd von dem schönsten Marmor, Granit, Porphyr und Blutjaspis, die Mauern des Chors sind mit Halbedelsteinen eingelegt. Herrlich ist der Blick von der Vorderwand, wo der 1719 von Philipp V. wiederhergestellte Sitz des Königs sich erhebt, in die Ticse der Kirche. Durch die Fenster der Kuppel, die sich über dem erhöhten Altare wölbt, füllt ein klares, doch nicht grelles Licht auf die vergoldeten Bogen und hebt die schöne Gestalt des gekrönten Kaisers dem Beschauer gegenüber; tiefer herunter legen sich in leisem Uebcrgange die Schatten auf die Gestalten zweier Engel zu beiden Seiten des Triumphbogens, während aus dem magischen Dämmerlichte der Tribüne die herr­liche» Umrisse ciner Gottesmutter in der Mitte zweier Heiligen milde hervorschimmern. So trefflich sind die Linien der Bögen und ihr Abschluß auf einander berechnet, ein so klares und tiefes Gefühl für das Schöne und Erhabne geht durch den gan­zen Bau, daß man bei seinem Anblick ergriffen wird wie bei der Anschauung der ewigen Harmonie des Makrokosmus.

Während bei der LaxxellÄ xalMna die großartige Schönheit des Innern eine» um so tiefern Eindruck hervorbringt, als sie von Außen ihre Bestimmung kaum er­rathen läßt, so ist es dagegen bei der unweit des Schlosses auf der andern Seite des Toledo gelegenen Kathedrale gerade das Acußcre, was unsere bewundernden Blicke auf sich zieht und uns mächtig und eigenthümlich ergreift. Die großartige Entfal-