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barsten geschadet habe, weil derselbe zu den ergiebigsten Flachsgegenden Livlcmds gehört. Der Preis, welcher durchschnittlich gegen drei Thaler für den Stein beträgt, war wegen mangelnder Ausfuhr auf die Halste gesunken und auch dasür fand der Bauer keinen Absatz, Ucbcrhaupt mag auch bei diesem Geschäft der Nationale arg übervortheilt werden; denn in Fellin leben viele Flachshändler, die den größten Theil des Jahres in reinein Nichtsthun zubringen, und nur in der ersten Hälfte des Winters ihre Cominis aufs Land schicken, welche dann mit Hilfe der Braimtweinflasche die Bauern zu günstigen Be- dingnngen bewegen. Ins Innere der Stadt znruckgetehrt, fand ich meinen Reisegefährten nicht mehr vor. Dennoch wurde es mir nicht schwer, unter den gemüthlichen Kleinstädtern neue Bekanntschaften zu schließen, und ich verließ endlich das Städtchen mit Befriedigung, weil nur sein geselliges, zwangloses Leben nach längereu, Aufenthalte in Riga wohlgethan hatte.
Bon der preußischen Grenze.
Die Krisis in der preußischen Regierung, auf deren Möglichkeit wir seit einigen Wochen hindeuten, scheint schneller einzutreten, als wir selber vermuthet. Das Herrenhaus hat dem Ministerium offen den Fehdehandschuh hingeworfen und es der fortgesetzten Gesetzwidrigkeit beschuldigt. Es hat dazu eine Frage von untergeordneter politischer Tragweite benutzt, die Frage- ob die Juden nach der Verfassung das Recht der Standschaft haben? Es hat dieser Frage die Wendung gegeben, daß ein solches Recht nur auf dem Wege der Gesetzgebung, nicht durch Ministcrialrescripte festgesetzt werden könne. Sonderbarer Weise ist diese Wendung von derjenigen Partei ausgegangen, welche im vorigen Landtag auf der äußersten Rechten saß und, mit dem gegenwärtigen Ministerium darin einig, daß Art, 12 der Verfassungsurkunde eine solche Auslegung geböte oder möglich mache, auf die Streichung jenes Artikels antrug. Die jetzige Anschuldigung ist also nicht aus einer Nechtsüber- zcugung, sondern aus einem Partcimanvvcr hervorgegangen.
Warum tritt das Herrenhaus mit seiner Anschuldigung grade jetzt hervor? da das Ministerium durch Einbringung einer neuen Kreisordnung den besten Vorsatz zeigt, die Sache in der That auf legislativem Wege zum Austrag zu bringen! — Wir glauben grade deshalb. Der neue Gesetzentwurf ist so durchgreifend, daß bei einer energischen Handhabung desselben die Forderungen, die man von liberaler Seite an das Ministerium stellt, in reichem Maß hätten erfüllt werden können.
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