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Nenrussische Städte.
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Cherson.
Durch die Steppe fährt man, wenn man es haben kann, am liebsten bei Nacht, und so fuhr ich auch gegen Mitternackt in guter Begleitung von Nicolajeff nach Cherson. Die Fahrt ist kurz, frühzeitig am Morgen war die letztere Stadt erreicht. Ihr erster Anblick ist nicht sehr erquicklich: schlecht gepflegte Straßen, vernachlässigte Gebäude, Trümmer und Schmutz überall. Indeß sind die Häuser nicht so nach der Schablone gebaut, wie in Nicolajeff und manche darunter präsentiren sich recht stattlich. In einem der letztern fanden wir freundliche Ausnahme und fühlten uns bald heimisch. Ein Bad im Dniepr erfrischte trotz des lauwarmen Wassers hinlänglich zu einem Gang durch die Stadt.
Cherson ist im Jahre 1778 von Potemkin gegründet worden und war anfänglich die Hauptstadt des südlichen Rußland, aber Odessa und Nicolajeff liefen ihr allmälig den Rang ab, und gegenwärtig steht sie tief unter ersterem, wenn auch, namentlich in Handelsbeziehungen, über letztcrem. Sie ist die Hauptstadt des Gouvernements immer noch dem Namen nach, außerdem die des Kreises Cherson, während Odessa keine Kreisstadt ist, wie außer jener noch Ovidiopol, Elisabethgrad, Tiraspvl und Alexandria, welche die fünf Kreise des Gouvernements repräsentiren. Ebenso ist Cherson der Sitz des obersten Gerichtshofs. Seine Bevölkerung beläuft sich auf 30 — 40,000 Einwohner. Der Handelsverkehr ist bedeutend, diesen Eindruck empfängt man, je mehr man sich dem Herzen der Stadt und dem Hafen nähert. Hier herrscht stets ein reges Leben, man bemerkt besonders viele Juden und Tataren. Die Magazine sind unansehnlich; der Kaufhof den eine jede größere russische Stadt besitzt, befindet sich in dem griechischen Viertel, wo die angeseheneren Kaufleute wohnen; in der Soldatenvorstadt ist die Besatzung einquartiert, ein unbedeutender Ring von Erdwällen umgibt die Stadt und die unansehnliche Citadelle. Der Hauptspaziergang ist der Stadtgartcn, welcher aber ziemlich beschränkt und nicht besonders angelegt ist, trotz seiner angenehmen Lage inmitten der Stadt. In ihm erhebt sich das Bronzedenkmal Potemkins von Falconet, es ist eine der geschmacklosesten Statuen, die ich je gesehen habe, und wetteifert in dieser Hinsicht mit derjenigen Richelieu's in Odessa; der Fürst ist dargestellt im Kü- raß. aber mit weiten, faltigen Beinkleidern, mit der Linken stützt er sich auf's Schwert, in der Rechten hält er den ^Feldhennstab, neben ihm steht der Helm auf dem herabgefallencn Mantel. Das Ganze sieht sonderbar ans. Die
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