37»
hinziehenden gehören. Allein die Zahl solcher Striche vermindert sich von Jahr zu Jahr mehr. Die drei großen Durchfahrten in dem erwähnten Stadttheil: Bowery, Grandstreet und Houstonstreet enthalten Hunderte von kleinen Geschäften, in denen Deutsch gesprochen wird.
Man kann nicht behaupten, daß diese Quartiere zu den stattlichsten und saubersten von Neuyork gehören. Besonders die nördliche Hälfte derselben, die den Namen „Klcindeutschland" führt, hat eher das Gegentheil dieser Eigenschaften. Die Mehrzahl der Straßen bietet hier einen wenig behaglichen, thcrlweise sogar einen ärmlichen Anblick, und der Strich ostwärts von der Avenue ^. unterscheidet sich in dieser Hinsicht kaum von dem Viertel, wo die Söhne und Töchter der Smaragdinsel mit ihrem Schmuz und ihrer Liederlichfeit hausen. Indeß wohnt hier die ärmste Classe der neuyorker Deutschen, die vom kümmerlichsten Erwerb, als Lumpensammler u. s. w. leben und in kasernenartigen Gebäuden so eng zusammen hocken, daß die Ausübung der Tugend der Reinlichkeit mindestens große Schwierigkeit hat, wo nicht eine Unmöglichkeit ist.
Da die wohlhabenderen und gebildeteren Deutschen, vorzüglich die großen Kaufleute und Bankiers, nicht in einer bestimmten Gegend, sondern in den nngloamerikanischen Stadttheilen zerstreut, zum Theil sogar in Brooklyn, Jersey-City, Hoboken, Staten Island u. s. w. wohnen, und überdieß ihr Deutschthum zwar nicht verleugnen, aber doch wenig hervortreten lassen; so ist es nicht zu verwundern, daß die Angloamerikaner die Lorstellungen, die sie sich von den Deutschen im Allgemeinen machen, von dem Charakter jener östlichen Stadttheile hernehmen, daß sie, abgesehen von weniger erfreulichen und ehrenden Meinungen, der Ansicht sind, die deutsche Bevölkerung ihrer Stadt umfasse sast ausschließlich kleine Handwerker, Krämer, Schenkwirthe und Tagearbeiter. In der Wirklichkeit ist dieß keineswegs der Fall, vielmehr begegnet man in den untern alten Stadttheilen, wo, wie in der Beaver-, der Williams-, der Front-» Cedar- und Courtlandstreet, der Großhandel und, wie in der Wallstreet, das Geldgeschäft seine Comptoirs, Speicher und Keller hat, durchschnittlich fast in jedem dritten Hause einer deutschen Firma. Nur im Bereich der großen Fabriken sowie im Gebiet der Rhederei sind die Deutschen verhältnißmäßig schwach vertreten, im Großhandel dagegen relativ mindestens ebenso stark, im Detailgeschäst vielleicht stärker als die Angloamerikaner.
So weit das gesellige Leben der neuyorker Deutschen an die Öffentlichkeit tritt, hat es ein sehr entschieden süddeutsches Gepräge. Die größere Lebendigkeit und Mitteilsamkeit und die stärkere Neigung zu Vergnügungen, welche die Schwaben kennzeichnen, treten allenthalben deutlich hervor, und der Hang nach Lebensgenuß offenbart sich namentlich in der Zahl der Bier- und Wcinhäuser und ähnlicher Anstalten, die in der That außerordentlich groß ist. Auch in den vielen geselligen Vereinen, Singkrünzchen, Liebhavertheater-
48*