Beitrag 
Die Zustände im Kirchenstaat. 2.
Seite
336
Einzelbild herunterladen
 

836

lichen Einfluß der Hauptstadt länger und unmittelbarer erfahren hat. Während Rom mit einer Bevölkerung von 180,000 Seelen durch seine begünstigte Industrie nicht mehr als 6000 Personen beschäftigt, zählt Bologna unter seinen 80,000 Einwohnern allein 12,000 Schleiermacher, und während die Mittelmeerküste bei 175 italienischen Meilen Länge nur 109 Handelsschiffe besitzt, hat die adria- tische bei einer Ausdehnung von 198 Meilen deren 1065, obwol Civita Vec- chia ebenso wie Ancona Freihasen und auch alle andern Verhältnisse gleich günstig sind.

In Umbricn, der Heimat der Tyrannen und der Heiligen, mit seiner durch den Muth ihrer Männer und die Schönheit ihrer Frauen berühmten Hauptstadt Perugia, so wie in der binnenländischen Provinz Macerata stehen sich Hohe und Niedrige imUcbcrfluß einiger Lebensbedürfnisse und im Mangel der Genüsse der Civilisation sehr nahe. Die Nomagnolen sind ein an geistiger und körperlicher Kraft reicher Menschenschlag, in der Ehe getreu, tapfern Sin­nes, nach dem Urtheil östreichischer Generale ein vortresfliches Material zu Soldaten. Wenn sie bis jetzt in letzterer Hinsicht nichts leisteten, so erklärt sich das leicht. Bis auf das letzte Jahr ergänzte sich das päpstliche Militär aus losem Gesindel, das der Werbetrommel folgte, weil es nichts Besseres zu thun wußte, und einem jungen Mann von Ehrgefühl muß es schwer an­kommen, sich von Priestern inspiciren zu lassen; denn auch der Kriegsminister in Rom ist ein Kleriker. Die Nomagna ist nnzweifelhast das werthvollste Stück des Erbtheils Sanct Peters. Der Sinn für das italienische Vaterland und der Municipalgeist sind kräftig, trotzig trat schon seit Jahren Bologna der Willkür der Regierung entgegen. Es besitzt einen Adel, der sich in den Wissenschaften hervorthut. Wenn Krastbewußtsein und die gebirgige Grenze viele aus dem niedern Volke verlockte, aus Naub und Schmuggel einen Be­ruf zu machen und der Charakter des großen Haufens gewaltthätiger ist, als man wünschen muß, so liegt die Schuld in der Hauptsache an der verzweifelt unnatürlichen Stellung der Romagna und an dem Priesterregiment, welches jenes Kraftbewußtsein in keine bessern Bahnen zu lenken wußte. Will man die Nomagnolen nicht ungerecht beurtheilen, so muß man sich erinnern, wie man sie seit Jahrhunderten von oben herab behandelt hat. Ganz dasselbe gilt von den Bewohnern der südwestlichen Striche des Kirchenstaates, wo sich jetzt nicht einmal das Material zu guten Bürgern häusig findet. Die niedere Classe ist hier unwissend, trag und ausschweifend. Man hätschelt sie, indem man ihr bei Gesetzübertretungen durch die Finger sieht, und sie mit Almosen füttert. Der Dank dafür war in den letzten Jahren, daß sie die Reihen der Mazzinisten verstärkte. Die Mittelclasse wird systematisch nieder­gedrückt. Mag sie sich in der Kanzlei versuchen, den Degen umgürten, sich an kaufmännische Unternehmungen wagen, überall tritt ihr der Jnstinct der