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Eine neue Philosophie der Geschichte.
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Einseitigkeiten und Thorheiten, deren sich die sogenannte Ausklärung schuldig machte. Um hier gleich vorzugreifen: es ist dieselbe Ansicht, die Buckle der Welt als neustes Evangelium verkündigt. Zwar hat Buckle einen weitern Gesichtskreis als Campe: die Spinnmaschine thut es nicht, da er wol weiß, daß die heilsame Einwirkung derselben eine Generation nicht überdauert, wol aber thut es Adam Smith, dessen Schrift über den Nationalreichthum bei ihm ebenso den Mittelpunkt der Weltgeschichte bildet, wie bei den alten Chro- nisten die Erscheinung des Heilands.

Blicken wir noch einmal aus die deutsche Philosophie zurück, so sehen wir an Herder sich zunächst Schiller anreihen; an diesen Schelling und Hegel mit dem ganzen Troß der Mythologen, Romantiker und Naturphilosophen. Fichte, der in der Construction der Thatsachen viel souveräner zu Werke ging als sie alle, gehört doch nur uneigentlich in diese Reihe; denn so leidenschaft­lich er gegen die Aufklärer polcmisirte, so wenig ihm die Spinnmaschiene oder Adam Smith Genüge that, so war er doch einer von ihnen, ja vielleicht der consequentestc: für ihn hatten die Begebenheiten der Geschichte, die ein­zelnen Völker und Zeitalter kein Interesse in sich selbst, sondern nur insosern sie einem allgemeinen Culturzwcck dienten, der sich freilich im seligen Leben der Ideen aussprach, als dessen endliche Formen aber der geschlossene Handels­staat, die Pestalozzische Erziehung und eine von oben her durch Akademien organisirte Wissenschaft erschien. Nur wenige unter diesen Philosophen gingen so weit, die Thatsachen der Geschichte aus dem Begriff heraus construiren zu wollen: eingeständig dieser Methode ist eben nur Fichte, dessen Abriß der Weltgeschichte freilich allen Bestimmungen der wirklichen Chronologie widerspricht. Der Begriff sollte sich eigentlich nur daraus beschränken, in den Thatsachen das­jenige hervorzuheben, was für die Menschheit wichtig und wissenswert!) sei. Auch das gibt noch Veranlassung genug zu Irrthümern und Mißverständnissen, wie wir am besten aus Hegel sehen, der bald das Schema der Geschichte der Philosophie, bald das der individuellen menschlichen Entwicklung zu Grunde legte, und danach den bekannten Gang der Weltgeschichte mehr oder minder modisicirte.

Die Franzosen haben sich zwar gegen die scholastischen Formen unserer Philosophie stets gesträubt; bei ihrem großen Talent aber, rasch und ent­schlossen zu construiren, haben sie in der Sache selbst sehr erfolgreich mit uns gewetteifcrt. und nicht blos ihre allgemeinen Werke über die Geschichte der französischen oder europäischen Civilisation, sondern auch manche Darstellungen bestimmter Zeiten, namentlich der Ncvolutionsgeschichte, sind so gefärbt, als ob alle Thatsachen sich mit Nothwendigkeit aus dem Begriff herleiten ließen.

Die Engländer, von vornherein ein viel positiveres Volk, die in ihrer all- mäli^en politischen und juristischen Entwicklung den Begriff des Jncommen-