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Preußens wirklich von der Art? Muß Preußen sich um seiner eigenen Provinzen willen nicht bei Zeiten vorsehen, um auf alle eintretenden Fälle gerüstet zu sein? Führt nicht jeder Verzug eine unabsehbare Gefahr mit sich?
Da wir den diplomatischen Beziehungen ganz fern stehen, so wissen wir auch nicht, ob Preußen sich mit seinen Vorschlägen zuerst au denjenigen gewandt hat, den es am meisten angeht, an Oestreich. Oestreich hat in den letzten Zeiten gegen Preußen ziemlich rücksichtslos gehandelt, und vielleicht fordert die diplomatische Con- venienz, diese Rücksichtslosigkeit durch kühles Stillschweigen zu erwiedern. Leider ist mit der diplomatischen Convenienz in ernsten Angelegenheiten nicht viel gewonnen, und Preußens erste und wichtigste Lebensfrage, von der sein ganzes politisches Leben abhängt, ist die, sich klar zu machen, wie es selber mit Oestreich steht. —
Man vergönne uns, ganz offen mit der Sprache herauszugehen. Wir haben beständig wiederholt und wiederholen es noch heute, daß wir es als ein schreckliches Unglück für Deutschland und als ein Verbrechen betrachten würden, wenn die gegenwärtige Spannung zwischen den deutschen Mächten einmal zu offener Feindseligkeit gesteigert werden sollte. Aber um die Lage der Dinge ernsthaft zu prüfen, müssen wir auch das Schlimmste als möglich annehmen, wenn es möglich ist. In mehreren Blättern der Gegenpartei ist bereits direct und indirect aus die Wahrscheinlichkeit hingewiesen, daß die Mittelstaatcn, um der preußischen Hegemonie zu entgehen, wieder an einen Rheinbund denken möchten. Von der anderen Seite ist diese Idee als ein Landesverrat!) gebrandmarkt worden. Aber was nutzt es, eine moralische Mißbilligung auszusprcchen, wenn dadurch die Thatsachen nicht geändert werden!
Preußen ist in der Lage, daß es — nicht um sich zu vergrößern, sondern um sich zu erhalten — nur drei Mittel vor sich hat. — Entweder gelingt es ihm, im Einvcrständniß mit Oestreich eine Reform der Bundeskricgsversassung in der jetzt beantragten Weise durchzusetzen; — oder es bringt gegen Oestreichs Willen mit den übrigen deutschen Regierungen ein Bündniß zu Stande, durch welches der Oberbefehl der Bundesarmec in der Weise regulirt wird, wie es unmittelbar vor Abschluß des Friedens von Mllafranca in Angriff genommen war und ohne diesen Abschluß auch wäre durchgeführt worden. — Ist aber beides nicht möglich — was bleibt Preußen dann übrig? — Es muß sich, um seine bedrohten Provinzen zu sichern, nach auswärtigen Bündnissen umsehen. —
Wir wollen das entsetzliche Bild nicht weiter ausmalen, wenn Preußen aus der einen Seite, die Mittelstaatcn auf der andern, vielleicht auch noch Oestreich um ein Bündniß buhlen — man kann sich denken wo! — Sollten aber die Regierungen wirklich nicht sehen, daß sie langsam aber unaufhaltsam diesem wünschcnswertheu Ziel zueilen, so müssen die rechtmäßigen Landcsvcrtreter sie darauf aufmerksam machen. Das nächste Augenmerk jedes Patrioten muß also sein, in den Kammern sämmtlicher deutschen Staaten, natürlich in den preußischen voraus, die Ueberzeugung wach zu rufen, daß Deutschlands Zukunft von der Schnelligkeit abhängt, mit welcher man sich über seine Wchrvcrsassung einigt.
Die preußische Regierung hat daneben noch eine andere Aufgabe. Es sieht mitunter so aus, als ob sie sich darüber wundert, daß ihre Popularität in Deutschland nicht schneller gestiegen ist. Das geht aber ganz natürlich zu. An dem gu-