182
zu diesen Bemerkungen veranlaßt haben. Hier ist genau derselbe Ton. aber er klingt vollkommen natürlich, man hat das Gefühl, als müßte es so sein. Und sehen wir uns dann weiter in der Literatur um. so entdecken wir, daß dieser Ton der echt französische ist; vor allem wieder der Ton Voltaire's, aber viel alter als dieser große Schriftsteller. Wir brauchen gar nicht auf die geistreichen Französinnen zurückzugehen, auf die S6vign6 und wie sie alle heißen: wir haben im 17. Jahrhundert Pascal, im 16. Montaigne, und aus diesen Schriftstellern könnten wir lange Sätze ins Athenäum aufnehmen, ohne daß man den Unterschied besonders merken sollte. Es mag den Nachkommen der alten Romantik, den leidenschaftlichen Franzosenfeinden, seltsam genug erscheinen, wenn man auch sie mit den Franzosen in Zusammenhang bringt, aber die Sache verhält sich wirklich so. Freilich sind die späteren, die Werner, die Fouquv u. s. w. daran nicht schuld; es ist hier nur von den Stiftern der Schule die Rede, die in ihrer guten Zeit auch wohl die Jakobinermütze nicht verschmähten, und die. als sie alt geworden waren, zu der so sehr angefochtenen Allongenperrücke zurückkehrten. Man merke dabei noch an, daß der beste Stilist unter ihnen, daß A. W. Schlegel eben so gut französisch als deutsch schrieb.
Man muß. um den Einfluß der Franzosen in seinem ganzen Umfang zu würdigen, jene drei Seiten ihres Wesens in Anschlag bringen: einmal die Fähigkeit zur Disciplin, aus der die Akademie eben so hervorgegangen ist. wie sie dieselbe gefördert hat, eine Disciplin, aus der sich auch die Möglichkeit des Bonapartismus erklärt; sodann die Fähigkeit, im entscheidenden Augenblick ganz in Furie aufzugehen: das Jakobinerthum, die Bluthochzeit, und weiter zurück bis zur Jacquerie; endlich jene angeborene boshafte Grazie, die mit dem Degen eben so gut umzugehen weiß, als mit dem Wort: der Geist der Fronde, das Bonmot, der Esprit, mit einem Wort, das Talent des paradoxen Denkens und Empfindens. Die Franzosen sind nicht solche steife Gliederpuppen der Regel, wie man sie oft abbildet, sie haben es freilich gern, wenn sie in ihrem Denken und Empfinden einmal eine Pause machen und sich für diesen Zeitraum einer höhern Autorität anvertrauen zu können: aber fangen sie einmal an zu denken oder zu fühlen, so regt sich der Zuave, und ihre Verwegenheit erschrickt vor nichts.
Voltaire ist der vollständigste Franzose, in ihm sind alle drei Richtungen gleichmäßig ausgebildet. In seinen kleinen prosaischen Schriften, wo alles Anmuth und Malice ist. wird man an den Dichter der Henriade gar nicht erinnert, der mit der Allongenperrücke geboren zu sein scheint, und wer etwa in seinem Wirken die concentrirte Leidenschaft vermißt, der schlage die Stellen in seinen Briefen auf, wo der Refrain: Doras62 l'Iuk^me! eintritt.
Der Fürst, dessen Schriften hier in neuer vollständiger Ausgabe erscheinen,