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nur in Anschlag bringt, daß bei jeder neuen Entdeckung der Gegensatz gegen die alte Auffassung auf die Spitze getrieben zu werden pflegt, so kaun man jenes Buch als eine wesentliche Berichtigung und Bereicherung unserer Geschichtsstudien lobend erwähnen. Von demselben Gerechtigkeitstriebe ging ursprünglich F. H. Jakobi aus, der in der Schrift: „Etwas das Lessing gesagt hat" sich Müllers annahm und deswegen mit den Berlinern in einen leidenschaftlichen Federkrieg verwickelt wurde, in welchem zuletzt die beiden Parteien nicht mehr sagen konnten, worüber sie eigentlich stritten. Leider hatten weder Müller noch Jakvbi Haltung genug, der Conscquenzmacherei Widerstand zu leisten, in die ihre Gegner selbst sie verwickelten: Müller dachte einen Augenblick ernsthaft daran, in päpstliche Dienste zu treten, und Jakobi verband sich aus Abneigung gegen die Berliner, deren Jesuitenriccherei ihm ästhetisch und moralisch zuwider war, mit allen möglichen Mystikern und Geisterbannern, so daß selbst Stolbergs Uebertritt ihm die Augen nicht völlig öffnete. Eine bessere Haltung bewährte ein anderer Historiker.
Gleichzeitig mit den „Reisen der Päpste" (1782) erschien Spittlers Kirchcngcschichte. Sie schließt in Bezug aus den Sturz der Jesuiten und die Joscvhinischen Reformen mit der Aussicht aus eine Zeit, „mv die katholische Kirche endlich aushören werde eine römische zu sein, wo Staat und Kirche sich ganz in einander fügen, das Volk die ihm von der Klerisei entrissenen Rechte zurückerhalten, diese selbst ihren Consociationsgeist aufgeben und ein friedliches Zusammenwohnen des katholischen Laien mit dem Protestanten möglich machen werde." Auch Spittler hatte, wie Müller, wohl bemerkt, daß die Ausklärung in ihrem Urtheil über das Mitteialter einseitig zu Werke gehe, er hatte schon 1776 darüber eine Abhandlung veröffentlicht, in Bezug ausweiche er 25. Dec. 1776 au Meusei schrieb; „Ich habe gar nicht beweisen wollen, daß an dem Clcrus des mittlern Zeitalters gar nichts als Gutes gewesen sei. Ich kenne die Schurken zu wohl! Aber die Frage war: hat dieses Otterngezücht gar nichts genützt? und Wenns genützt hat, was hat es genützt? So ist auch die Frage nicht, ob wir uns wieder den Cierus des mittlern Zeitalters wünschen sollen, weil er genützt hat. Das wäre ebenso, als ob man sich den Informator, der uns das ABC lehrte, zurückwünschen wollte, weil er gut ABC lehren konnte. Es ist bei den uneingeschränkten Deklamationen gegen den Clerus viel Verwechselung unserer Zeiten mit jenen; und für unsere Zeiten ist freilich der ganze Unwille gegen den Clerus vollkommen gerecht, so wie der Unwille über die Kindesmagd vollkommen gerecht ist, wenn sie den Jüngling, den Mann ebenso behandelt wie das Kind. Jenes mittlere Zeitalter aber war die Zeit der Kindheit und der Bubenstreiche; folglich mußte auch iu jenem Zeitalter das Menschengeschlecht eine entsprechende Erziehung genießen."