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sniten, riß Ferdinand der Zweite wieder einen guten Theil Deutschlands vom deutsche» Leben los und unterwarf ihn dem Nömerthum.
Aber nach dem westphälischcn Frieden hörte auch innerhalb der katholischen Kirche der alte Gegensatz gegen den Ultramontanismus keineswegs ans. er nahm nur eine andere Form an. Den realen Machtverhältnissen gemäß übernahm diesmal nicht Deutschland, sondern Frankreich die Führung; man sprach nicht mehr von Welsen und Waiblingcn, sondern von Gallicancrn und Romanisten. Aber die gallicanische Auffassung der Kirche war eine Erscheinung, die Frankreich nicht ausschließlich angehörte; überall macht sich das Nationalitätsprincip gegen die Oberherrschaft Roms geltend: zuerst von den Landesbischöfen verfochten, dann von den Königen selbst, welche die ausschließliche Gewalt im Staat erlangt hatten und nun im eignen Interesse das nationale Princip, ihren bisherigen Feind, begünstigten. In der Mitte des vorigen Jahrhunderts beginnt dieser Kampf, der im Bunde mit der Philosophie der Aufklärung sich hauptsächlich gegen dre Träger des UltramontaniS- mus, gegen die Jesuiten richtet, und der endlich so viel Gewalt entwickelt, daß selbst der Papst gezwungen wird, den Orden fallen zu lassen, der seine Hauptstütze war. Und eine der wichtigsten Stellen in diesem Kampf nimmt der Erbe Carls des Fünften, Kaiser Joseph der Zweite, ein.
Hier beginnt nun eine sonderbare Wendung in den Gefühlen des Protestantismus. Bisher hatten die protestantischen Schriftsteller in Nom zwar nicht mehr wie die alten lutherischen Pastoren den Antichrist, aber den Hauptseind aller freien und vernünftigen Entwickelung angefochten, und namentlich waren die Berliner in diesem Kampf mit einer Heftigkeit vorangegangen, die zuweilen etwas Komisches hatte. Jetzt zeigt sich plötzlich die Neigung, im Papstthum auch die positive, interessante Seite hervor zu kehren. Der erste in der Reihe dieser Schriftsteller ist Johannes Müller in den „Reisen der Päpste" 1782. Was ber seiner Schrift für kleine endliche Motive mitspielten, ist hier nicht nöthig zu untersuchen; maßgebend war einmal die Furcht vor den Gefahren des weltlichen Despotismus, gegen welchen Müller in dem Papstthum einen mächtigen Verbündeten gefunden zu haben glaubte; sodann das Gefühl eines tiefen Kenners der Geschichte, daß die Aufklärung gegen die historische Erscheinung des Papstes ungerecht gewesen sei, daß sie in dem Eifer, seine Schattenseiten hervorzuheben, die großen Vorzüge dieser Institution für ihre Zeit entweder gar nicht bemerkt, oder die Augen gewaltsam davor geschlossen habe.*) Es wirkte also bei dieser veränderten historischen Auffassung, wenn man von den unreinen Motiven absieht, einerseits die Liebe zur Freiheit, andererseits die Gerechtigkeit mit, und wenn man
") Aehulich sucht eine neu erschienene Broschüre: ^.xxvl ->,ux Vs.tKoIi<iuos, oxxosü Äes äroits I» lM-uxollvs, ?lÄts,u) die Sache darzustellen,