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lassen. Sie waren indessen ebensowenig als das Ministerium Ratazzi geneigt, von dem Gange der Cavvurschen Politik und dem Anschlüsse an Piemont abzustchn. Dieser Wunsch des Anschlusses an Piemont hatte sich während des Krieges nur tumuliuarisch oder nur durch einzelne Stadtöehörden uud Körperschaften aussprecheu lassen. Es sollte jetzt seinem Ausdrucke eine legitimere Form gegeben werden. In allen vier Landern geschah dies auf ganz gleiche Weise. Es wurden Nepräsentantenversammlungcn berufen, selbstständige Regierungen cvn- stituirt und von den ersteren die Entfernung der alten Herrscherhäuser vom Throne und der Anschluß an Piemont beschlossen; dann gingen Deputationen sowohl an Victor Emannel als an Napoleon ab, um denselben von den Volkswünschen und Beschlüssen Kunde zu geben. Im weiteren ward der definitive Anschluß an Piemont durch Einführung sardinischer Institutionen, des sardinischen Geldes, Maaßes lind Gewichtes vorbereitet. Endlich, um das Werk zu krönen, dachten die Herzogthümer an die Aufrichtung eines Bundes zur Verlheidigung der von ihnen ausgesprochncn Wünsche gegen alle Angriffe. Dieser Bund hatte also zunächst eine militärische Grundlage: die Truppen der vier Läudcr sollten in eine Bnndesarmee vereinigt werden. Später dachte mau auch, irgend eine Person als Neichsverweser, aufzustellcu, falls der definitive Anschluß an Piemont sich in die Länge zöge.
Wir wollen nun diese Ereignisse im einzelnen betrachten und mit Tos- cana beginnen. Hier hatte schon der Waffenstillstand die Gemüther aufs höchste erregt, noch stärker aber erregte sie der Abschluß des Friedens. Sobald derselbe zu Florenz bekannt geworden war, erließ die provisorische Regierung (am 13. Juli) eine Proclamation, unterzeichnet von dem sardinischcn Commissar Boncomvagni uud sämmtlichen Ministern, Nicasoli an der Spike, in welcher sie gegen die Bestimmungen des Friedens von Villafranca prolestirte; eine Deputation an König Victor Emannel versicherte und sprach die bestimmte Erwartung aus, Toscana werde nicht wider seinen Willen und seine Rechte von neuem dem Joche Oestreichs unterworfen werden. Am 30. Juli mußte der abberufene sardinische^ Commissar Boncompagni Florenz verlassen und statt seiner trat jetzt Nicasoli an die Spitze der provisorischen Regierung. Derselbe ordnete sofort die Wahlen zn einer Nepräsentantenversammlung und zwar nach dem alten vcrfassnngsmäßigen Wahlgesetze an. Am 11. August trat diese Versammlung zu Florenz zusammen und verisicirte die Wahlen. Sie war höchst conservativ zusammengesetzt; als einen Beweis dafür gibt mau an, daß ihren Mitgliedern mehr als ein Drittel des Gesammtgcbiets von Toscana gehöre. Am 13. August stellte in dieser Versammlung der Marchese Ginori Lisci. der bis zuletzt sich in der Nähe des Großherzogs Leopold be> funden und ihm gerathen hatte, den Volksmünschen zu entsprechen und mit Piemont zu gehn, den Antrag, das Haus Lothringen für des Thrones ver- Grenzboten I. 1800. 12