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Von der preußischen Grenze.
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hochhcrzigc Jdcc sein ganzes Leben setzt; aber zweierlei müssen wir bemerken. Einmal haben Victvr Einanucl und Cavvur für die gemeinsame Sache nicht nur viel mchr aufs Spiel gcsctzt, sondern auch viel mehr geleistet als Garibaldi, dessen Thaten noch in Aussicht stehen; sodann hat der tapfere General in seinen neuesten Proklamationen und Sendschrcibcn immcr cinc Tendenz durchblickcn lassen, die wei­ter geht als der König gehen will, als er vernünftigerweise gehen darf. So lange "och die Möglichkeit vorhanden ist, auf geordnetem Wege auch nur annäherungs­weise das Ziel zu erreichen, von dcm allcin sür jetzt die Nede sein kann, die Con- stituirung eines italienischen Staats, der auf eigenen Füßen steht; so lange handelt der König recht, alle Elemcntc fern zn halten, die diesen Zweck verwirren könnten. Selbst den höchst unwahrschcinlichcn Fall vorausgcsctzt, daß es eiuer revolutionären Erhebung Italiens gelingen sollte, sich gegen die großen Militärmächte zu behaup­ten, so würde das Resultat zunächst doch ein völlig zerrüttetes Staatswcscn sein, »nd das Königreich Sardinien wird ohnehin lange Zeit gebrauchen, bevor es sich von den schweren Wunden wieder erholt, die der Krieg ihm geschlagen. Wir wollen das nicht so darstellen, als ob Victor Emcmucl seine Handlungsweise nach einer klugen Berechnung einrichtete: er gehört zu dcn Männern, die ans der innern Noth­wendigkeit ihrer Natur, die in einer überwältigenden Leidenschaft handeln, und denen daher ein Platz in der Geschichte gebührt. Aber sehr mit Unrecht würde man das charakteristische Kennzeichen solcher Männer darin suchen, daß sie blind zn Werke gehen und Unermeßliches wollcn- im Gegentheil haben in der Regel wirklich starke Naturen in ihrer Leidenschaft selbst ein Maaß, das sie sich nach schweren inneren Kämpfen errungen haben.

Wenn die Rolle Oestreichs, Sardiniens und Frankreichs des letzter» Wenigstens bis zu einer gewissen Grenze insofern deutlich vorgczcichnet ist. als sie sich auf frühere kriegerische Thätigkeit bezicht, so wird die Stellung Englands auf dcm Kon­gresse desto seltsamer sein. Die überwiegende Mehrheit des britischen Volks hat sich entschieden für die Italiener ausgesprochen, sie hat sich aber eben so entschieden dahin "klärt, daß England dieser Willcnsmcinung unter knncn Umständen thätlichen Nach­druck zu gcbcn habe. Diese Ansicht, die im Grunde aus reinem Egoismus hervor­geht, hat man anch durch wcltbürgcrliche Bctrachtnngcn zn rechtfertigen gesucht: das allcin richtige Princip des Weltverkehrs sei die Nichteinmischung in die Ange­legenheiten anderer Völker. Abgesehen davon, daß England nur zu sehr seine Hand überall im Spiele hat. würde dies Princip nur dann Anerkennung verdienen, wenn allgemein angenommen wäre. Wenn England aus dcm Kongreß durchsetzt, daß in Bezug aus Mittclitalien dies Princip Geltung findet, so hätte es allerdings das höchste erreicht, was man erwarten könnte; aber wie will es dieser Meinung Gewicht geben, so lange es sie als eine unschuldige Privatmcinung ausstellt, sur d,e ^ nichts zu thun gedenke! Ob es sich dabei auf diplomatische Beziehungen stutzt, 'st den Vertretern dieser Meinung in England ebensowenig bekannt als uns. Anch über das Verhältniß Prcußcns zu dieser'Frage ist noch Alles im Dunkeln. Der Gegensatz gegen Oestreich ist nicht schwächer geworden, im Gegentheil bringt jeder neue Zeugnisse, daß seine Bitterkeit sich steigert; auf der andern Seite scheint ^eder mit Frankreich noch mit England irgend cinc Verständigung erfolgt zu sein. "Nd dic russische» Beziehungen bleiben so lange ohne Gewicht, als sie nicht auch

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