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'M Geheimen überschritten. Das Patent vom 26. Juni 1854 verordnete zur Deckung der außerordentlichen Kosten, welche der orientalische Krieg Oestreich auferlegte, die Auflage eines Anlehens auf dem Wege der öffentlichen Unter- Zeichnung von mindestens 350 und höchstens 500 Mill. Fl. Es wurden vom 20- Juli bis 19. August 506.783,477 Fl. gezeichnet, die Unterzeichnungen Hütten also dem Patent zufolge um 6,788,477 Fl. reducirt werden müssen, mie dies bei den französischen Anlehen stets sofort geschehen; indeß nicht allein erfuhr man nichts hierüber, sondern unterm 10. October überrascht das Finanzministerium die Welt mit folgender Bekanntmachung:
„Nachdem am 24. August d. I. der letzte Zahlungstermin des freiwilligen Anlehens vom Jahre 1854 abgelaufen ist, und nur noch einzelne Posten nachträglich zur Zahlung gelangen werden, hat sich die Ge- sammtsumme der im Laufe dieser fünfjährigen Finanzpcriode ausgegebenen Obligationen dieser Schuldgattung mit dem Betrage von 611,571,300 Fl. C. M. herausgestellt, von welchem aber 23,492.100 Fl. C. M. im Vermögen des Staatsschuldentilgungsfonds sich befinden, so daß die Summe . der im Umlaufe befindlichen diesfälligen Obligationen 585,079,200 Fl. C. M. beträgt, womit nunmehr das freiwillige Anlehen vom Jahr 1854 seinen definitiven Abschluß erhält."
Das Aufsehen, welches diese lakonische Anzeige machte, war groß. Selbst ^ie zahme wiener Presse vermochte nicht zu schweigen und gab ihr bestürztes ^staunen kund. Desto schärfer wird begreiflich die Sache im Ausland vertheilt, wo keine östreichische Censur herrscht. Man weiß wohl, daß Nennungen sich manche Operationen erlauben, welche die Gerichte bei Privaten stufen würden, aber ein so naives Eingeständniß, daß man sich an eingegangene Verpflichtungen nicht kehre, war selbst bei Oestreich neu. wenigstens ^'it 1811 nicht dagewesen, wo ein Patent Franz des Ersten im Februar das ^iserliche Wort verpfändete, daß die ausgegebenen Bankozettel nie im Nennwert!) heruntergesetzt werden sollten, und sie gleichwol im März auf V-> chres Werthes herabgesetzt wurden. — Wenn man solche Vorgänge mit dem "Noth hat kein Gebot" moralisch entschuldigen will, so wird man finanziell 'Ucht weit damit kommen. Jeder private wie öffentliche Haushalt beruht auf ^eu und Glauben, in dem Maße als man übernommene Verpflichtungen ^stillt, wird man Credit genießen; doppelt ist aber solche Gewissenhaftigkeit für jeden nothwendig, dessen Finanzen das Gleichgewicht von Einnahme und Ausgabe verloren haben, und der daher für ihre Herstellung auf das Vertrauen ^iner Gläubiger rechnen muß. In dieser Lage ist Oestreich in eminentem Grade, ^as Deficit ist in seinem Staatshaushalt trotz hoher Steuern permanent, der ^kehr mit Papiergeld überschwemmt, die Valuta kann nur durch Silber- ^iehen im Auslande wieder hergestellt werden, und man entmuthigt systema- Grenzboten IV. 1859. 23