77
und Musik betrifft, so wird das Organ für christliche Kunst ihm beistimmen, wir und manch anderer aber nicht; wenn wir in Hinsicht der Architektur dazu gezwungen werden sollen, so zeige uns Herr Hübsch, daß es ein künstlerisch genialer Einfall, nicht aber Mangel an Zeit, Geld und Gcschicklichkeit war, welcher jene von ihm angestaunten Baumeister die Säulen und Architravc von altclassischcn Werken stehlen ließ, statt sie selbst zu arbeiten, daß sich in der Durcheinandcrwürfclung der verschiedenen Säulenordnungcn das malerische Princip der Neuzeit, uicht aber grenzlvse Geschmacklvsigkcit darin zu erkennen gibt und daß endlich nur die christliche Bescheidenheit, nicht aber Mangel an eigner Erfindungsgabe Ursache ist, daß man die Muster der Alten in Rom wenigstens ganz ohne allen Verstand copirtc. Sobald dies geschehen sein wird, klatschen auch wir ihm Beifall für den Gedanken, über dessen Originalität er selbst noch betreten zu sein scheint.
Der seine Takt, den Fortschritt in den Bauten Navcnnas im Vergleich zu denen Roms und derer Navcnnas wiederum im Vergleich zu denen Konstantinopels herauszufühlen, geht Herrn Hübsch vollkommen ab, denn er würfelt bis jetzt alle Bauwerke dieser drei Vororte bunt durcheinander. Ich meine, was Kugler, Kinkel und Quast gesichtet, sollte man einer Caprice zu Liebe nicht so rücksichtslos durch- cinandcrwerfcn und das alles um des naiven Einfalles willen: „die romanische Bauart sei eigentlich nur eine Fortsetzung jener altchristlichen, keineswegs aber eine im Vergleich zu der letzteren gesteigerte und mehr organische Ausbildung der kirchlichen Baukunst/' Daß heißt nun denn doch alle bisherigen Resultate unsrer Wissenschaft nicht widerlegen, sondern auf den Kopf stellen. Die Fortsetzung hat bis letzt gar niemand in Abrede gestellt; aber es ist denn doch noch etwas mehr, meinen Wir. Die romanische Zeit umfaßt jenen Gährungsprvceß, in dem die abend- und wvrgcnländischen Elemente, die Herr Hübsch bei seinem Mangel an historischem Sinn nicht zu scheiden im Stande ist, sich mischen und aus dem dann erst das geklärte Wunderwerk der gothischen Baukunst sich streng organisch in der Construction und phantasievoll in der Gliederung entwickelt. Das kann nun freilich der nicht herausfühlen, der geschmacklos und voreilig genug war, schon vor Jahren zu behaupten: die Gothik schaffe nur Glashäuser, gehe im Thurmbau auf und leiste in der Wölbc- kunst nicht das Höchste, Letzteres deshalb, weil einige Gewölbe italienischer Bauten 10—20' Raum mehr überspannen sollen, als die des kölner Doms. Daß übrigens die romanische Baukunst ein Kulminationspunkt sei, hat bis jetzt kein bedeutender Kunsthistoriker behauptet. Sie ist vielmehr und bleibt, was sie war, der Uebergang von den mühsam nachgeahmten Formen des classischen Alterthums zu ^n freien sclbstständigen Schöpfungen der Blütezeit des christlichen Mittclalters.
Das Dritte, was der Verfasser seiner eigenen Aussage nach bezweckt, ist: durch ^in Werk dem heutigen Kirchcnbau von erheblichem Nutzen zu fein und der Gegenwart die würdigsten Vorbilder zu geben. Mit einem Wort, was die Pracraphacliten für die Malerei find, das will Herr Hübsch für die Baukunst werden. Wenn der bedanke auch nur in seiner Art neu wäre, wir wollten ihn hingehen lassen und f"nc Nichtigkeit durch Erfahrung erproben. Aber die auf diesem Grund errichteten ^Mscligcn neueren Kirchenbautcn Berlins, die doch immer noch das haben, was die ^christlicher, und Herrn Hübschs eigene Bauwerke nicht kennen, die reine und graziöse "Utikc Gliederung, brechen dieser Richtung ein für alle Mal den Stab. Der ver-