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und die halbe Welt umgekehrt werden? ein solcher Spielraum ist wol unerhört! — daß also der Ausschuß diese gefährliche Bestimmung nicht einmal durch die Bedingung der Unanssührbarkeit der Zusammenberufung des Landtags beschränkt wissen will, daß der Ausschuß ferner (zu §. 78) die von den Ständen begehrten Normen für die Ministeranklage nicht befürwortet, (zu §> 86) die vollständige Trennung der Justiz von der Verwaltung, entgegen der Negierung, festhält.
Wir wollen nur noch zwei Punkte ins Auge fassen, die Fragen vom Competenzgerichtshof und vom Steuerbewilligungsrccht.
Die Competenzgerichtshöfe, eine Erfindung der modernen Staatsweisheit, sollen in jedem Fall, wo zwischen einer Verwaltungs- und einer Gerichts- behördc Streit darüber herrscht, ob eine Sache Verwaltungs- oder Justizsache sei. diesen Streit entscheiden. ° Diese Fälle bilden also die einzige Ausnahme von der Regel, daß der Nichter seine Zuständigkeit selbst zu beurtheilen hat einer so allgemein anerkannten Regel, daß zwischen Gerichten verschiedener Staaten oft genug die folgenreichsten Händel daraus entspringen! Warum grade jene Ausnahme? Ist es unstatthaft, daß der Richter eine Staatsbehörde vor sich zieht und Recht zu nehmen nöthigt und über ihr Recht entscheidet? Nein; denn es wird dem Nichter nicht bestritten, daß er dies darf und soll "> allen civil- und criminalrechtlichen Processen, in den Fragen vom Mein und Dein und von Schuld oder Nichtschuld (wo ja der Staatsanwalt die Verwaltung vertritt); vor dem Richter gilt im Civilrecht nicht einmal eine fürstliche Prärogative, das ist so unbestritten, daß nicht einmal die neue kurhessische Verfassung daran zu tasten gewagt hat. Oder glaubt man, daß der Nichter von, Standpunkt des Rechts aus nicht darüber urtheilen könne, ob eine Maßregel der Verwaltung der öffentlichen Wohlfahrt diene? Aber er soll ja nur darüber urtheilen, ob eine solche Maßregel ein Recht verletzt, njcht ob sie der öffentlichen Wohlfahrt ersprießlich ist! Soll vielleicht eine Regierung im Interesse dieser Wohlfahrt das Recht verletzen dürfen? Ja soll dieser Satz, dieser einzige Satz, in dem die Despotie und die Revolution ganz übereinstimmen, durch Einrichtung eines besondern Gerichtshofes, eines Wohlfahrtsausschusses gleichsam, feierlich sanctionirt werden? Oder ferner, traut man dem Richter nicht genug Kenntniß und Verständniß der Gesetze zu- welche die Verwaltung betreffen? Aber es wird doch der Staatsbehörde möglich sein, ihn zu diesem Verständniß hinzuführen! Beruhen nicht unzählig Processe auf ökonomischen und technischen, dem Richter weit ferner liegenden Verhältnissen, welche die Parteien vor ihm darlegen müssen? Wie könnte überhaupt ein Gesetz so schwer verständlich sein, nachdem es mannigfach und öffentlich berathen wurde? Ist es nicht die stillschweigende Voraussetzung jede? Gesetzes, daß es jeder Unterthan, jeder, den es berührt, verstehen und beachten kann?