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hätte, so würde man ihn verehren und bewundern. Wer ist mir Bürge, daß ich das nicht einmal können werde — oder vielmehr, daß ich es die Leute werde glauben machen können?" „Für meinen Carlos, das Werk dreijähriger Anstrengungen, bin ich mit Unlust belohnt worden. Meine niederländische Geschichte, das Werk von fünf, höchstens sechs Monaten, wird mich vielleicht zum angesehenen Mann machen. Du selbst, mein Lieber, sei aufrichtig und sage, ob du es einem Mann, der dir das, was du lernen mußt, durch Schönheit und Gefälligkeit reizend machte, nicht mehr Dank wissen würdest als einem andern, der etwas noch so Schönes auftischt, das du entbehren kannst. Ich selbst, der ich jetzt genöthigt bin, seichte, trockne und geistlose Bücher zu lesen, was gäbe ich drum, wenn mir einer die niederländische Geschichte nur so in die Hände lieferte, wie ich sie dem Publicum liefern werde."
„Deine Ideen, antwortet Körner 13. Jan. 1788, sind zu meinem Erstaunen entsetzlich prosaisch geworden. Wenn dies eine Folge der weimarischcn Cultur ist, so hat sie an dir eben kein Meisterstück gemacht . . . Wie viel fehlt noch, so schämst du dich, blos zur Kurzweil andrer Menschen zu cxistiren und wagst es kaum, einem Brodbäcker unter die Augen zu treten. Also keine Spur mehr von jenen Ideen über Dichterwerth und Dichterberuf, über die wir längst einverstanden waren? ... Ich leugne nicht, daß Geschichte einen Geist höherer Art beschäftigen kann, aber er muß seinen Stoff zu sich erheben, nicht zu ihm herabsinken. Er stellt den Zusammenhang der Begebenheiten dar, wie er in einem vollkommnen Wesen auf einem höhern Standpunkt zu einem großen Gemälde sich bildet." — „Begleichung einiger Memoires über die Fronde, die ich jetzt gelesen habe, hat mir die Undankbarkeit des Geschäfts, Gewißheit zu suchen, wo es an Datis fehlt, wieder sehr einleuchtend gemacht. Wie viel Vortheile hat nicht der Romanschreiber vor dem Historiker voraus! Was entschädigt letztern sür die Opfer, die er der Wahrheit zu bringen glaubt? — „Als Dichter hast du Sprache. Kunstfertigkeit, Phantasie vor Tausenden voraus. Als Geschichtschreiber stehst du Tausenden in allem nach, was vieljähriges Studium ersordert. Je höher das Ideal von deiner Arbeit ist, -je mehr Lücken bemerkst du. je mehr Zeit bedarfst du zu ihrer Ausfüllung. Die Furcht dich zu erschöpfen fällt weg, sobald du Geschichte oder Philosophie für Dichtkunst benutzest. Was du zur Erweiterung und Berichtigung deiner Idee liest, muß in deinem Kopf eine dichterische Form bekommen, wenn du dich deinem Genius überlässest, und nicht durch andere Rücksichten zerstreut wirst. Wenige historische Data sind hinreichend, ein neues Ideal in deiner Seele zu erzeugen, indem du das Fehlende durch Phantasie ergänzest."
„Etwas Wahres mag daran sein, schreibt Schiller 18. Jan. 1788. wenn du mir vorwirfst, daß ich prosaischer geworden bin." Aber: Ich muß von Schriftstellern leben, also auf das sehen, was eintrügt. 2) Poetische Ar-