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Ueber die rechtliche Stellung der deutschen Juden im Mittelalter.
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allgemeine Straflosigkeit und die einmal bewiesene Schwäche läßt noch immer neue Gewaltthaten erstehen.

Werfen wir zum Schluß noch einen kurzen Blick auf die Judenverfol­gungen und ihre Motive, so sehen wir. daß. was in Deutschland geschah, nicht allein für sich dasteht, sondern die Nohheit der Zeit gleiche Gewaltthaten in Italien, Frankreich und England erzeugte und überall dieselben Motive entwickelte.

Als im Jahr 1096 unter Anführung des Peter von Amiens der Zug der Kreuzfahrer, zum großen Theil aus Abenteurern und Habenichtsen bestehend, wegen des Gott wohlgefälligen Werks mit Ablaß für jede Sünde ausgestattet, durch die Mosel- und Nheingegenden hinzog, glaubten sie die Bekehrung der Ungläubigen und die Verbreitung des Christenthums gleich mit der Verfolgung der Juden beginnen zu können. Die zügelloseste Wuth gegen die Juden war ein Vorspiel zur Eroberung des heiligen Grabes; sie behaupteten Gottes Befehl zu folgen, wenn sie so ihren Zug gegen die Feinde des christlichen Glaubens eröffneten. In Trier, Worms, Mainz. Köln, aber auch an der Donau, in Ungarn, Böhmen und Baiern begegnen wir den gräßlichsten Scenen, welche Tausenden das Leben kosteten oder ihr Vermögen raubten. Gier nach dem Gelde, welches die Juden in reicher Fülle besitzen und durch Wucher erworben haben, das Verlangen, durch den Tod der Gläu­biger von allen Schulden befreit zu werden, der Haß gegen das Volk, dessen Vorfahren vor mehr als tausend Jahren Christum gekreuzigt haben, gegen welches sein Blut zum Himmel schreie, das sind die Motive, welche das zu­sammengelesene Heer und den Pöbel der Städte zu jenen Greueln ent­flammten.

Mit Gewalt verlangte man ihren Ucbertritt z«m Christenthum, aber nur selten zogen sie die Taufe dem Tode vor und bewiesen überhaupt einen Muth und ein treues Festhalten an dem Glauben ihrer Väter und an dem, was sie für recht hielten, wie es nicht auf jedem Blatt der Geschichte zu finden ist. Nicht blos bei den jüdischen Geschichtschreibern, sondern auch in den allgemeinen Chroniken christlicher Schriftsteller begegnen wir vielen groß­artigen Zügen, welche beweisen, daß auch damals das tief verachtete jüdische Volk reich an edeln und energischen Charakteren war.

Die zweite allgemeine Verfolgung begann im Jahr 1146 mit dem zwei­ten Kreuzzug. Ein Mönch Rudolph predigte in den Rheingegenden den Kreuzzug, aber auch die Verfolgung der Juden, und wenn auch der Abt von Cluny, Peter der Einsiedler in seinem Schreiben an Ludwig den Achten vom Morden abrieth, so erläßt er doch die allgemeine Aufforderung, ihnen ihren übel erworbenen Reichthum zu nehmen. König Konrad und die Erzbischöfe von Köln und von Mainz nahmen sich der Juden, so viel es an ihnen lag,