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führte. Im römischen Reich war die Stellung der Juden je nach dem Sinn der einzelnen Kaiser und den äußern Verhältnissen verschieden: harte Behandlung und strenge Gesetze wechseln mit mildern Grundsätzen ab. Während in der ersten Zeit des Christenthums die Juden zu Verfolgungen der Christen angereizt hatten, änderte sich ihre Stellung, als mit Konstantin die christliche Religion zur Staatsreligion erhoben wurde. Jetzt gebieten die Concilien die Absonderung der Juden von den Christen, verbieten die Ehen zwischen ihnen, das Zusammenspeisen derselben untereinander, und gestatten nicht, daß Juden christliche Sklaven halten.
Das römische Weltreich wurde zerstört und es entstanden auf seinem Boden eine Reihe größerer deutscher Staaten; in allen treffen wir Juden und es werden ihre Rechtsverhältnisse in den Gesetzen der Burgunder, der Ost- und Westgothen und der Franken erwähnt. Während in dem westgothischcn Recht ein bis zum Fanatismus starrer, strenggläubiger Sinn herrscht, welcher sich später in der Inquisition Spaniens auf eine Schauder erregende Weise Geltung verschafft, und das Judenthum hier mit Stumpf und Stiel ausgerottet werden sollte, scheinen sie bei den Ostgothen eine angesehenere Stellung gehabt zu haben. Wir übergehen diese deutschen Reiche, um nur kurz bei den Franken zu verweilen.
Da die Juden unter merovingischer Herrschast öfter Beamte gewesen waren, suchte die Kirche ihren Einfluß zu schmälern und entzog ihnen das Zoll- und Nichtercnnt; wiederholt werden die gemischten Ehen zwischen Juden und Christen verboten. Excesse, welche die Juden an christlichen Feiertagen verübt hatten, waren die Veranlassung zu einer Verordnung König Childebcrts, daß sie in der Osterzeit sich jeder Gemeinschaft mit Christen enthalten und nirgend auf Straßen oder Märkten „gewissermaßen den Christen zum Spott erscheinen sollten." König- Chilperich von Soissons (562—564), welcher mit einem ruchlosen Leben Interesse für die Theologie verband und Schriften über die Dreieinigkeit und Menschwerdung Christi verfaßte, suchte die Juden durch Uebcrredung und mit Gewalt zum Christenthum zu führen und zwang viele sich taufen zu lassen. Während seine Nachfolger den Juden eine erträgliche Stellung gewährten, gebot König Dagobert, daß sie sich entweder taufen ließen, oder auswanderten. In wie weit sein Befehl ausgeführt wurde, wissen wir nicht; auffallend ist es, daß auch noch später trotz alles Widerspruchs der Kirche Juden Beamte, besonders Zollbeamte waren. Insbesondere scheint sich unter den Karolingern ihre Lage verbessert zu haben; sie besaßen Häuser und Landgüter. Ja Karl der Große schenkte ihnen so weit sein Vertrauen, daß er einen Juden Jsaak mit zwei deutschen Grafen zum Kalifen Harun al Naschid als Gesandten schickte. Wir besitzen einige Bestimmungen von Karl dem Großen und seinem Sohne Ludwig dem Frommen, welche nur gewisse Beschränkungen im Interesse des