Contribution 
Von der preußischen Grenze.
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mit sehr gemischten Empfindungen. Große Resultate hatte man von dieser Sitzung nicht erwartet, und durste es auch nicht; im Allgemeinen kann man sagen, daß die Abgeordneten wie die Minister ihre Schuldigkeit gethan haben. Der Finanzministcr hat in Bezug aus die Grundsteuer einen Gesetzentwurf eingebracht, der, wenn er auch diesmal nicht durchgeht, mit seiner ernsten, durchdachten Fassung die endliche Entscheidung dieser sehr verwickelten Frage wesentlich fördert; der Cultusminister hat in Bezug auf die Glaubensfreiheit die vortrefflichsten Ideen ausgesprochen und ihnen die gesetzliche Sanction verheißen; der Kriegsminister hat die Befürchtung, es könne an der bisherigen so höchst populären Einrichtung des Kriegswesens durch bloßes Reglement etwas geändert werden, entschieden aufgehoben; allen gerechten Beschwerden ist Abhilfe versichert oder schon geleistet. Bis dahin wäre alles in der schönsten Har­monie, und doch machen die Zustände nur zu sehr den Eindruck des Provisorischen.

Man spricht von dem Zurücktritt mchrer Minister nach Vollendung der Ses­sion. Hr. Flottwcll soll durch den Grasen Pückler ersetzt werden; auch die Gerüchte von der Absicht des Fürsten von Hohenzvllcrn, den Vorsitz niederzulegen, sind leider noch nicht beseitigt. In den höhcrn Beamten, die dem Ministerium eine lcidcnschast- liche Opposition machen, ist nichts geändert; das Herrenhaus fährt in seiner Rück­sichtslosigkeit sort. Daß der neuliche Einsall der Kreuzzeitung, die Armee zum Richter der innern Staatsverwaltung zu machen, und die Aufforderung, den Frei­herr» v. Vincke untcr die Juden zu verbannen, von der liberalen Presse nur mit Ge­lächter aufgenommen ist, wäre ganz in der Ordnung, wenn es sich nur um jenes Blatt handelte: daß aber die Partei, welche in jenem Blatt ihr Wesen treibt, ohne vollständig rasend zu sein, eine solche Sprache zuläßt, muß das nicht den Verdacht erregen, daß sie auf irgend einen Hinterhalt rechnet? Und hier wäre es wol die Auf­gabe der Herren Minister, der Besorgnis) des Landes durch eine unumwundene Er­klärung ein Ende zu machen, salls sie besser unterrichtet find als das Publicum, was wir doch hoffen. Denn nie war eine Einigung aller Kräfte in Preußen so nothwendig, als in diesem kritischen Augenblick.

Daß in Bezug aus die Prcßgesctzgcbung festere Normen nöthig sind, zeigen die abweichenden Entscheidungen verschiedener Gerichte. Das Kammcrgericht hat fest­gestellt, daß die Ereignisse von 1849 bereits der Geschichte angehören und darum dem freien Urtheil anheimfallen: ein Princip, dessen Verletzung freilich allem ge­sunden Menschenverstand widerstreitet; aber was hätte in dieser Sphäre seit mcchren Jahren nicht dem gesunden Menschenverstand widersprochen? Das kölnische Stadt­gericht findet eine Beleidigung von Staatsbeamten schon darin, wenn zwei (an sich richtige) Facta nebeneinandergestellt werden, deren Zusammenstellung bei irgcud einem Leser die Vermuthung erregen könnte, es solle zwischen ihnen ein Causalncxus angedeutet werden: ein Princip, infolge dessen, wie schon anderwärts richtig be­merkt ist, die Zeitungen ihre sämmtlichen Korrespondenzen in den Papierkorb werfen müßten, denn danach ließe sich aus jeder Zeile ein Vergehen oder Verbrechen dedu- circn. Man sieht daraus, daß die Gesetze doch nicht so klar sind, jeden Mißver­stand abzuschneiden; uud da man doch wieder einmal in die Lage kommen könnte, wo der böse Wille solche Unklarheiten benutzt, so genügt es nicht, die augenblick­liche Praxis zu lassen, sondern es ist nothwendig, auf die Grundlage derselben, die Gesetzgebung zurückzugehen. 1'1'