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Die doctrinäre Theologie zu Anfang des 19. Jahrhunderts.
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dcten Heidelberger Jahrbücher zum Erstaunen aller guten Protestanten (selbst des Calderonübersetzers Gries), ihm für sich und seinen Genossen das Wort zu gönnen (1808). Er trat nicht blos für das Werk, das er mit überschweng­lichem Lob bedachte, sondern auch für die Sache in die Schranken.Wenn irgend etwas das sichtbare Mißtrauen zu rechtfertigen scheinen kann, das so viele, auch sonst gutdcnkcnde und wohlmeinende Protestanten gegen alle diejenigen äußern, welche die katholische Ansicht des Christenthums für sich erwählen, so ist es Folgendes. So wie in unserm Zeitalter überhaupt die Religion fast immer nur aus dem politischen, oder höchstens aus einem ästhe­tischen Standpunkt betrachtet wird, so haben sich auch unberufene, sogar philosophisch sein wollende Lobredner gefunden, welche die katholische Religion wegen ihrer politischen Zweckmäßigkeit oder von Seiten der ästhetischen Schön­heit angepriesen haben. Obgleich es nun selbst für das Wesentliche einer Religion nicht unwichtig sein möchte, ob sie des Ausdrucks liebevoller Schön­heit und eures innigen heitern Gefühls fähig und empfänglich, und also im wahrhaften Sinn ästhetisch sei. oder ob sie in finsterer Majestät und einsam leerer Geistlosigkeit Hause; so entsteht doch natürlicherweise ein gerechtes Miß­trauen gegen denjenigen, welcher in der wichtigsten Angelegenheit des Lebens durch den Zauber der Phantasie, durch den Reiz der Schönheit sich bestimmen lassen wollte." In Fr. Schlegels Mund klingt dieser Tadel sonderbar genug; auch fehlt es im Folgenden an denconciliatorischen Filzschuhen", wie sein Bru­der es nennt, keineswegs, durch die e-r jeden starken Schritt versteckt; fast jeder Satz wird durch Nestrictionen wieder aufgehoben.Dadurch erst wird der Zwiespalt der Katholischen und der Protestanten so gefährlich, daß so viele Nichtchristen, welche diese Streitfrage eigentlich nicht angeht, Theil daran zu nehmen nicht unterlassen können."Es ist einleuchtend, daß diese Frage nicht anders als aus dem Weg ruhiger Forschung und größtentheils durch eine hi­storisch-philosophische Kritik entschieden werden kann."Es ist keineswegs unsere Absicht, die Kritik als oberste Nichterin in Sachen der Religion aus­zustellen, vielmehr erkennen wir gern die Grenze an, wo alle Kritik aufhört, und nichts ferner entscheiden kann, als die innere Stimme, die freie Wahl des Gefühls." Darauf bekämpft Schlegel den allgemein verbreiteten Grund­satz, es sei nicht anständig, seine väterliche Religion zu verlassen.Es be­ruht dieser Grundsatz meistens aus einer gewissen Gleichgültigkeit gegen die Religion, welche doch mit einer Art von Anerkennung und mit einer vermein­ten Kenntniß derselben verbunden ist. Sie gehen davon aus, daß alle Reli­gionen als blos äußerliche Formen im Grunde gleich gut seien, indem es ein­zig auf das innere Gefühl ankomme. So wahr das Letzte im rechten Sinne genommen sein mag, so ist doch jene Lauigkeit und Eitelkeit nicht zu billigen, welche so oft das eigentliche Wesen als bloße Form verwirft, sich selbst aber mit

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