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Bilder aus Griechenland. 5. : Die heutigen Athener. - Die deutsche Niederlassung in Erakli : Pfingsten am Pentelikon.
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Das Lied, das dazu gesungen wurde, war mir unverständlich, das Verfahren aber genau so wie bei uns. Zwei Kinder treten sich gegenüber, reichen sich die gehobenen Hände, bilden damit eine Art Thor und bestimmen dann heim­lich, welche Seite Himmel oder Hölle, Orange oder Citrone sein soll. Hier­auf kommen die übrigen, sich an den Händen fassend in langer Reihe gegen dieses Brückenthor angelaufen und schlüpfen, während ein bestimmtes Lied gesungen wird, unter den emporgehaltenen Armen durch, bis diese als Fall­gatter auf den letzten hernnterfahren. Dieser hat nun zu wählen, ob er in den Himmel oder die Holle, zur Orange oder Citrone will. Die andern be­ginnen ihren Lauf von neuem durch die Thorwölbung, um abermals den letzten im Fallgatter zurückzulassen. Nachdem endlich alle gefangen sind und sich entweder auf die eine oder die andere Seite gestellt haben, schließt das Spiel mit einem Ringkampf zwischen den Parteien. Es nahm sich recht artig aus, wie die kleinen Nothkäppchcn und Fustanellen durch die Brückenthür galo- pirten.

Den folgenden Tag wurde der Akropolis ein dritter Besuch abgestattet. Später sahen wir vor dem Schloß die Parade und oben am Fenster den König, der noch immer die Nationaltracht trägt. Dann hörten wir in der Kapelle des Palastes mit der Königin und der Mehrzahl der übrigen in Athen lebenden Protestanten die Psingstprcdigt Pastor Hansens, die von der­selben Kanzel gehalten wurde, aus der eine halbe Stunde vorher der katholische Kaplan des Königs gesprochen hatte. Der König sah kränklich aus und scheint schlechte Augen zu haben. Seine Gemahlin ist noch immer eine schöne stattliche Dame und noch immer die vassionirte Reiterin von ehedem. Sie soll übrigens nicht so beliebt sein, als ihr Gemahl, vielleicht weil sie energischer durchgreift, vielleicht auch weil ihre Fürsorge für das moralische Wohl ihrer Unterthanen sich bisweilen über Gebiete erstreckte, welche die davon Betroffenen sür privates Territorium hielten.

Für den zweiten Pfingsttag war mit andern Deutschen ein Ausflug nach dem Pentelikon verabredet, an dessen Fuß das Landvolk von Attika an die­sem Tage alljährlich ein Fest feiert, bei welchem Männer und Weiber im besten Putz erscheinen, auf dem Rasen gelagert schmausen und dann die Ro- maika tanzen. Wir suhren in der Frühe in zwei Wagen hinaus. Der Weg führt östlich vom Lykabettus durch Felder und haideartige Flüchen, auf die von Osten der Hymettus herabschaut. Vor uns und hinter uns und seitwärts wimmelte es von Leuten zu Wagen und zu Pferd, die auch zum Feste wollten, und namentlich von den Dörfern links von der Straße schlängelten sich aus Nebenwegen lange Züge von Männern und Frauen hin. die in die buntesten Farben gekleidet waren. Nach einer Fahrt von etwa dritthalb Stunden waren wir am nördlichen Ende des Hymettus. der hier in schöner Verkürzung und