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wild brausen und stürmen wolle, daß er in seinem Ungestüm zuweilen dem Jähzorn Preis gegeben sei und daß es dann mit ihm durchgehen könne, war er sich wohl bewußt und klagte sich dann zuweilen wol über alle Gebühr an, wie es denn seine Art war, als ein wahrhaft demüthiger und rechtschaffener Mann seine Fehler nicht nur anzuerkennen, sondern auch wieder gut zu machen. Das habe ich an mir selbst und an vielen andern oft genug erfahren." Mochten manche, die sonst tief unter ihm standen, ihn an Kenntnissen und Geschicklichkeit übertreffen, so war er dafür in jedem Augenblick ganz und voll, was er war; er hatte „in jedem Augenblick sein Geräth und Waffen fertig ganz und voll bei sich: die Revolvers, die Umrollcr und Ausrollcr seines Geistes hatten die Kugeln immer zum Abdruck bei der Hand, in hellen frischen Stunden «blitzte nicht blos Verstand, sondern auch Witz auf Witz aus seinem Munde." — „Festgeschlosscn und kurz floß es ihm von den Lippen, selbst in heftiger Aufregung und im zornigen Muthe purzelten und stürzten seine Worte nimmer unordentlich durcheinander. Geradcms und Geraddurch! war sein Wahlspruch. Muth und Wahrheit fanden immer die rechte Stellung und die rechte Rede, diese hätten nimmer krumme und verschlungene Pfade gehen, für alle Schätze der Welt nimmer Ja und Nein willkürlich wechfeln können. Wenn dieser, Mann als Minister ein offnes freies Parlament vor sich gehabt Hütte, gewiß würde er für einen alles niederdonnernden, zerschmetternden Redner gegolten haben, mit seinem unbezwinglichcn Muthe und seiner Tugend und Kraft."
Wir geben, ehe wir in der Ausmalung der Züge des Trefflichen und Gewaltigen fortfahren, einige Beispiele, welche das bisher Gesagte ins Licht zu setzen geeignet sind:
Eine Probe seines Freimuths, welche „alle Russen zum Erschrecken und zur Bewunderung hinriß", wurde Arndt vom Minister Uwaroff erzählt. Als der Rückzug Napoleons von Moskau bekannt worden war, hatte die alte Kaiserin, von dem allgemeinen Siegesmuth angesteckt, bei Tafel „dem Minister Stein gegenüber ihre stolzen würtemberger Lippen ungefähr mit den Worten aufgethan: „Wenn jetzt noch ein französischer Soldat durch die deutschen Grenzen entrinnt, so werde ich mich schämen, eine Deutsche zu sein." — Bei diesen Worten sah man Stein im Gesicht roth und längs seiner großen Nase vor Zorn weiß werden, sich erheben, verneigen und in geflügelter Rede also erwidern: „Ew. Majestät haben sehr unrecht, solches hier cmszusprcchcn. und zwar über ein so großes, treues, tapferes Volk, welchem Sie anzugehören das Glück haben. Sie hätten sagen sollen, nicht des deutschen Volkes schäme ich mich, sondern meiner Brüder, Vettern und Genossen, der deutschen Fürsten. Ich habe die Zeit durchlebt, ich lebte in den Jahren 1791 bis 1794 am Rhein; nicht das Volk hatte Schuld, man wußte