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Aus der römischen Kaiserzeit : das Theater.
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Weise mit hineingezogen zu werden. Dürfte man aus der Leidenschaft, mit der die Bevölkerung der großen Städte Jahrhunderte lang an diesem Schau­spiel hing, auf die Vortrefflichkeit der Kunstleistnngcn schließen, so könnte man kaum einen zu hohen Begriff von ihnen fnssen; der Beifall ging bis zur Raserei, und es war nicht selten, daß die Zuschauer bei rührenden Scenen in Thränen ausbrachen. Doch wenn auch ohne Zweifel die besten Künstler ihre Erfolge einer geistvollen, durchdachten und künstlerisch schönen Darstellung ver­dankten, so lag doch der Zauber, den dies Schauspiel auf die Mehrzahl aus­übte, in seinem sinnlichen Reiz. Eine tadellose jugendliche Gestalt war sür den Pantomimen unerläßlich, in ihm sollte man nach der Ansicht eines an­tiken Kunstenthusiasten den Kanon des Polyklet verkörpert sehen. Eine reiche Lockensülle, nach antiken Begriffen ein noch wesentlicherer Theil der jugend­lichen Schönheit als nach modernen, durfte nicht fehlen. Die Zuschauer waren gegen Mängel der äußern Erscheinung unnachsichtig. Als ein kleiner Pantomime in Antiochia als Hektor auftrat, rief man aus dem Publi- cum- Das ist Astycmax, wo ist denn Hektor? Als ein sehr langer Tänzer den Kapancus beim Sturm auf Theben darstellte, hieß es: Du brauchst keine Leiter, steige nur über die Mauer. Einem magern wurde zugerufen: Gute Besserung! u. s. w. Durch unablässige Uebung und Beobachtung einer gewissen Diät erwarben sich die Pantomimen eine unbedingte Herrschaft über ihren Körper, eine Gelenkigkeit, Geschmeidigkeit und Elasticität, die sie in den Stand sehte, auch die schwierigsten Bewegungen mit Anmuth, Weichheit und Eleganz aus­zuführen. Bei schlüpfrigen Gegenständen galt auf der damaligen Bühne das Aeußerstc für erlaubt, an wollüstiger Ueppigkeit und Zuchtlosigkeit scheinen die schlimmsten pantomimischen Darstellungen den Tänzen der ägyptischen Almchs kaum nachgestanden zu haben. Die Wirkungen solcher Schauspiele auf die Sittlichkeit stellt man sich anch ohne die Schilderungen der Zeitgenossen vor, besonders wurden sie von Frauen mit Leidenschaft besucht. Ein späterer Geschichtschreiber der Kaiserzeit sah in den Pantomimen eine Hauptursache des Falls des römischen Reichs.

Der Chor, der die Darstellung durch seinen Gesang begleitete, erschien ebenfalls in prächtigem Costüm. Ihn hatte statt des einzelnen Sängers, der in der Tragödie die lyrischen Solos vortrug. Pylades eingeführt, und statt der einfachen Flötenbegleitung ein stark instrumentirtes Orchester. Auf die Frage, worin seine Reform der Darstellung bestehe, soll er mit einem homeri­schen Verse geantwortet haben:In der Flöten und Pfeifen Getön nnd der Menschen Getümmel." Aber auch Syringen und Eymbeln. Cyther und Lyra gehörten zu diesem Orchester, und der Takt wurde durch ein Stampfen mit eisernen Sohlen markirt; natürlich hatte die Musik zugleich den Zweck, tue rhythmischen Bewegungen des Tänzers zu leiten. Ueber den Kunstwerth dieser