287
mit Kopf und Händen ersetzten nicht nur die Sprache, sondern auf sie beschränkte sich auch das Spiel großentheils, ein Ballettanz im modernen Sinne war es nicht. Erst m der letzten Zeit des Alterthums schienen namentlich im Orient Tnnzerkunststücke üblich geworden zu sein, wie wir sie auf unsern Bühnen zu sehen gewohnt sind, die Pantomimen drehten sich z. B. blitzschnell im Kreise, wobei sie den Oberkörper so weit rückwärts überbogen, daß ihre langen Haare den Boden segten, standen mitten in der heftigsten Bewegung wie angewurzelt, oder Keßen den Körper auf dem rechten Beine ruhen, während sie mit dem linken künstliche Linien beschrieben u. dgl. Doch scheinen dergleichen Produc- tionen nur zum Schluß der pantomimischen Darstellung stattgefunden zu haben, zum Beweise, daß die Kraft der Darsteller noch nicht erschöpft sei; in den ersten Jahrhunderten waren sie, so viel wir wissen, auf römischen und griechischen Bühnen unerhört.
Von der Virtuosität des pantomimischen Ausdrucks erzählt Lucian noch eine zweite Anekdote. Ein Fürst einer Völkerschaft am schwarzen Meer, die von griechischer Civilisation nur oberflächlich berührt war, kam nach Rom, um persönlich eine Angelegenheit bei Nero zu betreiben. Er wurde ins Theater geführt und sah dort denselben Pantomimen, der den Cyniker Demetrius zur Bewunderung hingerissen hatte. Als ihm Nero nachher freistellte, eine Bitte zu thun, soll er sich diesen Künstler erbeten haben, er werde dann ganz der Dolmetscher entbehren können, deren er zur Verständigung mit den anders redenden Nachbarstämmen bisher bedurft habe. Ueber die Art, in welcher die Pantomimen die Worte des Textes ausdrückten, haben wir nur eine dürftige Andeutung. Ein Schüler des Pylades, Hylas, tanzte ein Solo, dessen Text mit den Worten schloß: „den großen Agamemnon". Bei. dieser Stelle richtete sich Hylas hoch aus. Pylades, der sich unter dem Publicum befand, rief ihm ZU: Du machst ihn lang, aber nicht groß. Die Zuschauer verlangten daranf die Darstellung derselben Scene von ihm. Als er an die getadelte Stelle kam, nahm er die Haltung eines Nachdenkenden an, da er es für die am meisten charakteristische Eigenschaft eines großen Feldherrn hielt, für alle zu denken. Und als Hylas einmal den blinden Oedipus mit zu großer Sicherheit der Bewegungen darstellte, rief ihm Pylades zn: du bist sehend. Wenn diese Anekdoten, wahr oder erfunden, auf eine sehr sein charakterisirende Darstellung der besten Künstler schließen lassen, so fehlte es andrerseits auch nicht an grober Coulissenreißerei. Ein rasender Ajax zerriß einem der begleitenden Musiker das Kleid.-entriß einem andern die Flöte und führte damit einen Schlag auf den Kopf eines Statisten, der den Odysseus darstellte, der diesem fast das Leben gekostet hätte, und stieg endlich von der Bühne in den Halbkreis der Senatoren herab, wo er sich zwischen zwei Consularen setzte; diese waren begreiflicherweise in nicht geringer Furcht, in die Darstellung auf unangenehme