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Die preußischen Justizreformen seit 1848.
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die Oeffentlichkeit gesetzlich besteht, aber, wie man beobachtet haben will, zu wenig Andrem führt, als praktischen Leuten im Winter auf gemeine Kosten eine warme Stube zu gewähren. Zu Criminalverhandlungen drängt sich das Publicum nicht nur nach dem Sitzungssaal; es liest auch die Gerichtszeitung und den Publizisten mit einem Eiser, wie den neuen Pittaval und Temmesche Criminalnovellen. Wir geben zu, daß der Grund davon zum Theil in der noch immer vorwiegenden Schriftlichkeit und dem formalen Charakter des Civilprocesses liegt, während das Criminalverfahrm wirklich mündlich ist, nach materieller Wahrheit strebt und zudem mit Stoffen zu thun hat, die einen tiefen Blick in das Labyrinth der menschlichen Leidenschaften öffnen. Aber wir glauben, daß dies nicht der einzige Grund ist. Von deferirten und rese- rirten Eiden, von Beweislast und präcludirten Fristen verstehen die Wenigsten etwas. Aber jeder traut sich zu, in einem bestimmten Fall ebenso gut als der Richter zu entscheiden, ob dieser Mensch diese That, ob er sie mit Vorbedacht und Zurechnungssnhigkeit begangen habe, oder nicht. Ohne arrogant zu sein, kann jeder Mensch von gewöhnlicher Begabung und Lebenserfahrung sich ein richtiges Urtheil hierüder wirklich zutraun, und das ist die Erwägung, welche die Gesetzgebung veranlaßt hat. Männer von den oben genannten Eigen­schaften, deren Vermögensverhältnisse außerdem eine gewisse Unabhängigkeit verbürgen und eine kurze Versäumniß ihres Erwerbs gestatten, zur Entschei­dung der Schuldfrage hinzuzuziehen, das ist die vernünftige Veranlassung zur Einführung von Geschwornen, mit deren Ursprung und Bedeutung wir uns das nächste Mal beschäftigen wollen.

Die Gefahr eines europäischen Krieges.

Konstantinopel, den 23. Juni. Ich weiß nicht, wie weit Sie die Gefahr eines allgemeinen europäischen Krie­ges, auf den bereits mehre Symptome der heutigen bewegten Zeit hinzudeuten scheinen, für drohend ansehen. Ein Urtheil hierüber muß selbstredend verschieden aus­fallen, je nach dem räumlichen Standpunkte, aus dem man sich befindet. Stimmung und Ansichten werden nur zu oft von Eindrücken beherrscht, die zum Theil localer Natur sind. Außerdem muß unsere Meinung über eine derartige Frage nothwendig von etwaigen Benachrichtigungen, Notizen und Wünschen afficirt werden, die uns zugegangen sind. Was mich angeht, so erkläre ich gleich hier im Eingange! daß mir eine derartige Bevorzugung in keiner Beziehung zu Theil geworden ist, und daß ich in Hinsicht aus meine Information über den betreffenden Punkt im Gegentheil durchaus nur auf dem Boden stehe, welchen eine ziemlich aufmerksame Lectüre einiger deutschen und auswärtigen Zeitungen zu geben vermag. Eben darum ist es vielleicht eine allzukühne Voraussetzung, wenn ich annehme, dieser in jedem Falle nur