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Leibeigenschaft in Rußland. 1.
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Erst nach dem Erlöschen von Ruriks Stamm und nach Verwandlung der Streichen in Prätvrianer. als Bvris Godunow den Thron bestiegen hatte, erfolgten die ersten Angriffe auf die persönliche Freiheit der bäuerlichen Be­völkerung. Denn Boris Godunow war durch eine Palastrevolution, durch die Bojaren zum Zaren gemacht worden und hatte ihnen dafür eine Art von ständischer Bevorrechtung zugestehen müssen. Diesen Einflüssen gab er nach, indem er den Mas vom 21. Nov. 1601 erließ, welcher die Freizügigkeit der Bauern aufhob. Jeder blieb fortan ewig an die Scholle derjenigen Gemeinde gefesselt, bei welcher er am letztverflossenen Georgstag angeschrieben gewesen war. Seitdem beklagen die russischen Volkslieder den Juricwstag als Tag des Freiheitsverlusles. Und sie haben Recht. Indem das bannende Gesetz die Wanderlust des Russen, das angeborene Erbe seines nomadischen Ur­sprungs fesselte, brach es zunächst die Kraft des Widerstandes der Gemein­den gegen etwaige Uebcrgriffe der Bojaren. Die Gemeinde verlor zu­gleich die Möglichkeit einer freien Verfügung über ihren Grund und Boden. Denn mit der Freizügigkeit war ihr das Mittel genommen, den allzuviel fordernden Herrn zu billigen Pacht- und Frohndenbcdinguugen zu nöthigen. Die wirklichen Sklaven der Bojaren, die Haus- und Hofcsleute, gewannen sogar eine gewissermaßen bevorzugte Stellung im Vergleich zu den persönlich noch immer freien Gemeindegliedern. Denn bei Hungersnoth und anderen Calamitäten mußte der Herr für ihres Leibes Noth und Nahrung sorgen; die Gemeinde war dagegen durch die Fesselung an die Scholle den Anforderungen des Herrn wehrlos anheimgegeben, ohne von ihm eine Gegenverpflichtung in Anspruch nehmen zu können.

Nußland war indessen damals noch ein reiner Ackerbau- und Hirtenstaat, die Bojaren lebten dagegen bereits der Mehrzahl nach am Hofe oder in den Städten und kümmerten sich wenig um die Zustünde ihrer Gemeinden, wenn nur die octroyirten Gefalle vollzählig entrichtet wurden. Dieser Gesammt- tribut der Gemeinde war immerhin noch verhnltuihmäßig leicht zu ertragen, und das nationale Communalleben konnte fortgedeihen. Erst durch die ver­mehrten Bedürfnisse des Staates und den wachsenden Luxus des Adels ver­wandelte sich diese Gesanuntrente von jeder Gemeinde in einen Tribut nach Kopfzahl. Dies um so mehr, als allmälig der Staat den Grundadel für dessen Entrichtung haftbar machte. So siel das Odium auf den Adel, wäh­rend das Volk imweißen" d. i. freien und befreienden Zaren noch immer die volksfreundliche Krafr verehrte, welche Rußland vom Tatarcnjoche befreit und den Gemeinden die Möglichkeit gegeben hatte, ihre socialpolitischen In­stitutionen zu erhalten. Denn mochte immerhin Bvris Godunow den Bauern mit Grund und Boden zum vercrblichen Eigenthum des Grundherrn gemacht haben, so blieb der Mensch doch untrennbar mit seiner Erde vereint, nicht