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Der Staatsdienst und die Presse.
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vereinbar ist. darf der Staatsmann Memoiren veröffentlichen, er sollte des­halb in der Regel die Genehmigung seiner Negierung vorher nachsuchen. Um­stände können davon allerdings dispensiren. Nehmen wir z. B. den Fall, daß ein Gesandter, der unter einem Whigministerium diente, seine Memoiren unter einem Toryministerium veröffentlichen wollte und sicher voraussähe, daß die Genehmigung ihm aus bloßen Parteigründen verweigert würde, nichts desto weniger aber glaubte, daß die Veröffentlichung für sein Land wichtig wäre. Die Umstände entscheiden hier die Frage, es kommt erstens auf den Gegen­stand an, über den sich die Memoiren verbreiten. So findet es z. B. niemand tadelnswerth, daß Sir Robert Peels Papiere über die Korngesetze heraus­gegeben sind, die Debatte war öffentlich, die persönlichen Gegensätze haben sich verwischt, die Maßregel wird von niemand mehr in Frage gestellt. Ein zweites wesentliches Moment ist die Art der Abfassung, die Schonung aller persönlichen Beziehungen, mit einem Worte, der Takt. Das dritte und wich­tigste ist die Zeit der Veröffentlichung. Hier wie bei Ort und Gegenstand ist alles relativ, es mag oft schwer sein den Punkt zu bestimmen, wo das Amtliche und Persönliche in das Historische aufgeht, aber mau möge lieber etwas an sich halten als zn früh sprechen. Daß ein Politiker Aufzeichnungen über seine Erlebnisse macht, ist nicht nur in der Ordnung, sondern auch noth­wendig, man kann das Zartgefühl ehren, welches Papiere vernichtet, die dritte Personen cvmpromittiren, aber die Welt und die historische Wahrheit, die doch über kurz oder lang nn den Tag kommen soll, verliert dadurch und der Discretivn ist genügt, wenn Vorkehrungen gegen un zeitige Veröffentlichung getroffen sind.

Von der Frage, ob man unter obigen Umständen unter seinem Namen Memoiren herausgeben darf, ist die verschieden, ob ein Staatsbeamter anonym in der Tagespresse schreiben dürfe? Dies ward im vorigen Jahre lebhaft in England besprochen, da Lord Clarendon einige Angestellte des auswärtigen Ministeriums entlassen hatte, weil er erfahren, daß sie und zwar nicht in sei­nem Sinne, ihre Feder brauchten. Wie, sagten einige, hat man damit, daß man in Staatsdienst tritt, das Recht verloren, eine unabhängige Meinung zu haben und zu äußern, steht es nicht jedem Engländer frei zu denken, zu sprechen und zu schreiben, wie er will? Dies Naisonnement geht offenbar ins Blaue. Allerdings hat jeder Engländer im Allgemeinen jene Freiheit, so lange ihn nicht entgegenstehende Verpflichtungen binden. Ich habe das Recht zu gehen wohin ich will, aber dies Recht wird beschränkt durch die entgegen­stehenden- Rechte andrer, auf meines Nachbars Blumenbeeten darf ich eben nicht spazieren gehen. Wenn jene freien Engländer schreiben wollen, was sie denken, so müssen sie sich dem Staate gegenüber nicht durch Annahme eines Amtes binden, sie können auch in vielen Stellen schreiben, nämlich mit Vor-