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Der Staatsdienst und die Presse.
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das 8l>,Iu8 roiiZiMieae 8ui,r«na lox eintritt und also keine Regel angegeben werden sann.

Es bleiben somit von den Aufzeichnungen eines Gesandten oder Staats­mannes nur noch die Memoiren, von denen es fraglich ist. ob ihre Veröffent­lichung erlaubt ist. Wir begegnen hier zwei entgegenstehenden Meinungen. Die einen sagen, der Politiker sei es seinen Zeitgenossen schuldig, sie aus dein Schatz seiner Erfahrungen zu belehren, die andern meinen, er dürfe überhaupt gar nicht schreiben. Beides ist irrig, es ist nicht abzusehen, weshalb nicht ein Staatsmann z. B. über Kunst oder wissenschaftliche Gegenstände schreiben sollte, wenn er nur uicht grade seine Staatskunst gegen die privaten Lieblings­beschäftigungen zurücksetzt, (ein emeritirter preußischer Diplomat bekannte kürz­lich in einem offenen Briefe, dies immer gethan zu haben). Wilhelm von Humboldt wird seine schriftstellerische Thätigkeit wahrlich nicht in seiner Stellung geschadet, sondern ihn im Gegentheil gehoben haben. Aber auch poli­tische Fragen darf ein Staatsmann besprechen, wenn es in rechter Weise geschieht. Niemand wird es Niebuhr verargt haben, daß er in seiner römischen Geschichte nicht nur politische Grundsätze entwickelte, sondern auch seine praktischen Erfah­rungen im Staatsleben benutzte, um die gefchichtlicken Constellationen zu beleuchten und zu erklären. Die Frage ist nur, darf ein Staatsmann oder specieller ein Gesandter über das schreiben, was er in seiner amtlichen Stellung erfahren? Die Memoiren eines solchen Mannes werden entweder in einem gleichzeitig geführten Tagebuche oder nach demselben resp, aus der Erinnerung verfaßten Aufzeichnungen bestehen, sie mögen privater Natur sein, mit abliegenden Be­trachtungen durchwvven, aber ihr wesentlicher Inhalt, um desfenwillen sie In­teresse erregen, werden doch die Vorgänge sein, zu denen der Verfasser'eine officiellc Stellung einnahm. Amtliche und private Anschauungen lassen sich hier nicht trennen, ein Gesandter wird sich z. B. bemühen, den treffendsten Ausdruck für eine Sachlage in seiner Depesche zu wählen, wird er aber einen weniger treffenden in sein Journal eintragen, damit demselben der private Charakter erhalten bleibe? Ein besonders wichtiger Umstand kommt ihm zu Ohren, er telegraphirt ihn an seine Negierung, wird er Ihn in seinem Tagebuch aus­lassen? So ist es ganz natürlich, wenn Lord Normcmby, nachdem er vorher erklärt, sich aller Mittheilungen enthalten zu wollen, welche seine Amtsgcschäfte berührten, doch nachher sagt,'daß, wenn fortwährende Berichterstattung neben einem fast täglich geführten Privatjournal hergeht, es nur uatürlich sei, daß dieselben Ereignisse oft in denselben Ausdrücken in beiden aufgezeichnet werden. Es mag sehr verdienstlich sein, das Publicum über Ereignisse, zu denen man den Schlüssel besitzt oder doch zu besitzen glaubt aufzuklären, alun- die erste Pflicht eines Staatsdieners ist, den Interessen seines Landes nnd seiner Negierung in allen Handlungen Rechnung zu tragen, und nur weun beides

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