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Bilder aus der deutschen Vergangenheit : deutsche Fürsten auf dem Reichstage : 1547.
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mußte weichen, die Zäune wurden niedergerissen, die Gräben wurden zuge­schüttet.

Zu Nürnberg, wo ich den Schutz Georg von Wedells oder eines andern nicht nöthig hatte, bin ich in ein Wirthshaus geritten, in welchem der obge- meldetc Herzog von Liegnitz auch Herberge genommen. Auch Kais. Majestät ist mit großem Comitat herangekommen und so lange zu Nürnberg geblie­ben, daß er zu Augsburg bequem um den 1. September ankommen konnte. Der Herzog von Liegnitz hat sich seines Saufens beflissen, ist stets voll ge­wesen und um dazu in Nürnberg Gesellschaft zu haben, da ihm seine zuge­ordneten Räthe bei dem Schwärmen keine Gesellschaft leisten wollten, hat er die Hofleute des Markgrasen Johann gerne bei sich gehabt, die denn 'mit ihm ein unbändiges Trinken verführt haben. Als sie einst sehr bezecht waren, hat der Herzog mit sechs Markgräfiichen sich den rechten Aermel von Wamms und Hemde schneiden lassen, so daß der Arm ganz nackend war, hat die Hosen aufgelöst und das Hemde zwischen den Hosen und dem Wamms rund herum etwas ausgezogen. So sind sie ohne Schuhe auf den Socken in bloßem Haupte, vor ihnen das große Spiel, die Spielleute der Stadt Nürnberg, welche aus aller Macht so laut blasen mußten als sie konn­ten, die Gasse entlang vorwärts gezogen, einer nach dem andern, bald nach dem Mittagessen, aus der Herberge nach dem Logement des Herzogs Heinrich von Braunschweig. In der einen Hand hatte der Herzog ein paar Würfel, in der andern Hand etliche Goldstücke. Da kam eine Welt von Leuten Her- zugelaufen, zumal von den fremden Nationen, Spanier und Italiener und sahen diesen deutschen Ebnaken zu. Der Wein überwand sie; als sie zum Braunschweiger hinaufkamen, schlug der Liegnitzer mit beiden Händen vor dem Braunschwciger auf den Tisch, aus der einen Hand hatte er das Gold verloren, in der andern Hand hatte er nur einen Würfel, konnte nicht lallen, sondern stürzte an dem Tische nieder. Der Braunschweiger ließ ihn durch vier seiner Edelleute aufheben, eine Stiege hinaustragen und in ein Bett legen. Der Kaiser soll übel damit zufrieden gewesen sein, daß den Deutschen vor andern Nationen solch ein grausamer Spott widerfuhr.

Nun waren aber bei dem Herzog von Liegnitz Anzeichen genug, daß^ er nicht übel erzogen war. Denn ich hatte etliche Tage vorher über Tisch, als er ziemlich bezecht war, gehört, wie er ganze Geschichten des alten Testaments, nicht wie sie in der Bibel stehn, sondern mit seinen eigenen Worten, nicht nur recitirte, sondern auch auf seines Vaters Geschäfte, die er beim Kaiser verrichten sollte, so geschickt applicirte, daß ich mich verwundert habedarum sieht man hier die Frucht des Volltrinkens, daß man aus einer Sünde in die andere fällt. Denn als er keine andere Saufgesellschaft mehr bekommen konnte, kam er in der Nacht vor meine Kammer, klopfte und rief so lange,