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uns die Wärme des Schriftstellers für seinen Gegenstand, sie erfrischt uns um' so mehr, da er Goethe n^cht thöricht vergöttert, ihn nicht über die Gesetze erhebt, denen alle übrigen Menschen unterworfen sind, sondern ihn innerhalb derselben rechtfertigt. Und wol konnte er das, denn wie viel wir auch, gewohnt, in Goethe unser höchstes Ideal zu suchen, in seinem Leben vermissen, so erkennen wir immer mehr, je tieser wir in den Kern seines Wesens eindringen, daß die schöne Dichtung aus einer schönen Seele hervorging. Wir möchten bei der Betrachtung seines Lebens ein Bild anwenden, welches in der Zeit seines Zusammenlebens mit Schiller ihn häufig beschäftigte. Es war eine griechische Sage, daß der überglückliche Mensch, um die Götter zu versöhnen, dem Neid derselben das höchste Kleinod des Lebens opfern müsse-, so scheint es Goethe, der gewiß der Liebe fähiger war, als ein anderer, dunkel von der Liebe empfunden zu haben. sonst würde uns die Scheu, die ihn in den entscheidenden Momenten überfällt, gradezu unverständlich sein. Lewes bemüht sich zwar in wohlmeinender Absicht, die Ehe mit Christiane bis zu einer gewissen Grenze als die wirkliche Erfüllung seines Ideals darzustellen, und er folgt darin den geistvollen Paradoxien Adolph Stahrs, aber was darüber zu denken ist, hat bereits der Ueberseher in einer sehr be- achtenswerthen Anmerkung ausgesprochen.
Im Ganzen mögen wir also das Buch auch für unsere Literatur als einen Gewinn betrachten- es wird viele Leser finden, die sich von der trockenen Manier semer Vorgänger nicht angezogen fühlten, und dazu beitragen, den Cultus des Schönen in unserm Volk zu kräftigen, der durch die streng sittliche Betrachtung zwar begrenzt, aber nicht aufgehoben werden soll. Das Bewußtsein, daß der Inhalt des Lebens wenigstens ebenso wichtig ist, als die Form, hat sich jetzt allgemein verbreitet, es kann nicht schaden, wenn man den Materialismus unserer Tage auch an den entgegengesetzten Gesichtspunkt erinnert.
Das zweite Buch rührt gleichfalls von einem Biographen Goethes her; es gehört zu einer größern Reihe von Schriften: Das deutsche Volk dargestellt in Vergangenheit und Gegenwart, zur Begründung der Zukunft, der wir schon manche bcachtenswerthe Mittheilung zu verdanken haben, und bemüht sich, das literarische Leben des vorigen Jahrhunderts in Biographien einzelner hervorragender Dichter zu charaktcrisiren. Das erste Bündchen enthält Hagedorn, Haller, Klopstock, die leipziger und Halberstädter Schule, Las zweite Bändchen Lessing, Wieland und die Göttinger, das dritte Herder, Goethe und Schiller. Der Verfasser hat mit großem Geschick in dem beschränkten Raum, der eine tiefer eingehende Untersuchung ausschloß, diejenigen Momente in zweckmäßigen Grnppcn zusammengestellt, welche dem Volk ein deutliches Bild von dem Treiben seiner Lieblinge geben, und es