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Deutsche Literatur.
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.Deutsche Literatur.

Goethes Leben und Schriften, von G. H, Lewes, übersetzt von Dr. Julius Frcse,

2 Bd. Berlin. Franz Duncker,

Geschichte der deutschen Literatur des achtzehnten Jahrhunderts, von I. W. Schäfer.

3 Bd. Leipzig, T, O, Weigel.

Wir haben bei dein Erscheinen des ersten Bandes der Freseschen Ueber­setzung aus den Werth hingewiesen, den Lewes' Leben Goethes auch für Deutschland hat (Grenzbvten 1857, 1. Quartal S. 262 ff.); wir haben zu­gleich auseinandergesetzt, inwiefern grade ein Engländer geeignet ist, die man­nigfachen Schwierigkeiten zu ebnen, die' sich einem solchen Unternehmen in den Weg stellen. Auf diesen Punft kommen wir daher nicht mehr zurück. Der zweite Band hat sehr lange auf sich warten lassen! der Uebersetzer rechtfertigt diese Verzögerung durch die Sorgfalt seiner Arbeit, die in der That volles Lob verdient; auch die wenigen Anmerkungen, die er hinzusetzt (z. B. bei Gelegenheit von Christiane Vulpius) sind vortrefflich. Ob nicht eine größere Freiheit in der Behandlung des Textes für ein deutsches Publicnm wünschens- wcrther gewesen wäre, ist freilich eine andere Frage. Namentlich in zwei Punkten hätte die Verschiedenheit der beiden Sprachen berücksichtigt werden sollen. Einmal gebraucht Lewes mit großem Behagen Kraftnusdrücke, die im Englischen nicht so schlimm klingen, die aber im Deutschen einen gradczu injuriösen Charakter annehmen; zuweilen auch da, wo die Beleidigung offenbar nicht beabsichtigt ist. So heißt es S. 183 von der Schlegelschen Ucber- setzung des Shakespeare wörtlich!sie sei keineswegs so getreu, wie man in Deutschland meint, oft erbärmlich schwach und bisweilen sehr fehlerhaft in der Auffassung des Sinns," und ohne allen Uebergang wird hinzugesetzt, im Ganzen habe sie in aller Literatur nicht ihres Gleichen." Eine solche Zusammenstellung von entgegengesetzten Prädicaten hat in Deutschland keinen Sinn, in England lernt man schon aus den parlamentarischen Debatten, über den ehrenwerthcn Gentleman, dessen gaunerische und spitzbübische Maß­regeln das Land ruinirt haben, der aber sonst allgemeine Achtung verdient," sich nicht weiter zu verwundern. Ddß Lewes auch bei dieser Stelle von deü deutschen Gelehrten meint, ihre Kenntniß des Englischen reiche nicht so weit, um zu beurtheilen, ob etwas richtig oder falsch übersetzt sei, gehört zu den zahlreichen Höflichkeiten gegen das deutsche Volk. Hätte er sich etwas in der Shatespe^arelitcratur seines Vaterlandes umgesehn, wo unter den 10 15 Gelehr­ten, welche die Höhe dieser Wissenschaft erstiegen haben, so ziemlich jeder den andern für einen Ignoranten erklärt, so würde ihn das etwas gnädiger gegen die deutsche Gelehrsamkeit gestimmt haben. Eine zweite Eigenthümlichkeit