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Traumleben auf dem Nil.
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eine und das andere schwärmerische Gemüth in seiner Trunkenheit so weit geht, zu erkläre», es habe nie schönere Zeiten erlebt und werde nie schönere erleben. Der', Neuling kann solcher Hingerissenhcit gegenüber in den Fall kom­men, entweder an dem Geschmacke der Schwärmer oder an seinem eignen irre zu werden. Er meint vieles Seltsame, aber wenig Schönes gesehen zu haben. Er glaubt zu wissen, daß dies im Wesentlichen auch serner so bleiben wird, und es bleibt in der That so, ja die Oase, durch die ihn sein Schiff trägt, wird, je weiter er in sie eindringt, nur ärmer an landschaftlichen Reizen.

Die Gegend von Kairo hinter ihm verlohnte die Reise unzweifelhaft. Auf dem rechten Ufer die mächtige Stadt, ein Wald von Minarets, hellfar­bige Gartenpaläste, halbverborgen von dunkelgrünen Wipfeln, darüber auf der Kante des röthlichen Mokattamgebirgs, stolz in der Nähe, zauberhaft acknuthig in der Ferne, die Citadelle mit Mchemed Alis Alabastcrmoschee, aus dem Strome lebendigster, buntester Schiffsverkehr, auf der linken Seite jenseits der Palmen­haine, welche die Stätte des verschwundenen Mcmphis beschatten, die blauen Niesenzelte der Pyramiden am Saum der gelben Wüste geben ein Gesammt- bild. das sich der Seele als bleibender Gewinn einprägt. Was weiter hinauf dem Auge geboten ist. rechtfertigt als einzelnes jenes Entzücken nicht. Das Nilthal oberhalb der Hauptstadt ist beinahe so einförmig wie die Wüste, durch die es sich hinwindet. Ein breiter, langsam fließender Strom gelbgrauen Wassers durchschneidet eine grüne Thalsvhle, die zur Rechten und Linken, fast überall gleichhoch, gleichförmig und gleichfarbig, meilenlangcn nackten Mauern ähnlich, die röthlichgraucn Bergketten der' lybischen und der arabischen Wüste einfassen. Die Biegungen und Windungen des Flusses sind zahlreich, aber nur selten eröffnet sich dem um eines der vielen Borgebirge Schiffenden ein wesentlich neues Landschaftsbild. Felder mit Gerste und Durrah, Zuckerrohr und Baumwollenstauden, Palmenhaine, mit ihren rothen Stämmen und ihren graugrünen Wipfeln von fern gesehen deutschem Kicfernhochwald täuschend ähnlich, in ihrem Schatten erdfahle Dörfer, Ameisenhaufen vergleichbar, über den Dörfern Taubenschwärme, im Strome Sandbänke mit langen Reihen von grauen Gänsen und Enten, weißen Ibissen und Pelikanen besetzt, dazu als Staffage auf dem Wasser bisweilen ein Schiff oder Boot, altertümliche drei­eckige Segel blähend oder mit taktmäßig sich streckenden Rudcrfüßen die' Flut zertheilend, auf dem Lande nackte schwarzbraune Arbeiter an Schöpfmaschinen beschäftigt, blauverschleierte Fellahweiber. die mit antiken Wasserkrügen auf den Köpfen nach dem Strome herniedersteigen, Kameele in Herden und Kara- vanen, graue Büffel in grünem Klee. Eselsreiter mit weißem Turban und blauem Kaftcm. hin und wieder ein prächtiger Schech oder Bej, der in allen Farben des Regenbogens strahlt das ungefähr sind die Bilder, welche auf der durchschnittlich drei Wochen währenden Stromfahrt von Bulak bis Assuan