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W. A. Mozart von Otto Jahn.
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häuslichen Verhältnisse macht einen schmerzlichen Eindruck, denn es ist des Mannes überhaupt und namentlich einer so edlen Natur unwürdig, sich fort­während auf fremde Hilfe zu verlassen und diese mitunter in nicht beneidcns- werthcr Art in Anspruch zu nehmen. Aber dies trübe Gefühl wird verscheucht durch das schöne Bild des Ganzen, durch die innige Liebe zu seiner Frau, durch die übersprudelnde Lust am Leben, den Adel eines reinen Gefühls. Freilich hat er noch nicht den Byron gelesen und sein Gefühl äußerte sich noch nicht in tragischen Formen. Das Getändel mit seinem Stanzerl, Kraller- ballerl, Spitzignaseri u. s. w. wird vielen modernen Lyrikern sehr wenig genial vorkommen, aber es ist auch in diesen Spielereien dieselbe Innigkeit und Gesundheit, die uns in seinen Kompositionen erfrischt und erhebt. Es ist in unsern Tagen vielleicht das dankenswertheste Geschäft des Schriftstellers, Freude am Leben, Freude an der menschlichen Natur zu erregen und es sind uns aus den letzten Jahren sehr wenig Schriften bekannt, denen das in so hohem Maße gelungen wäre.

Die Schilderung der persönlichen Verhältnisse Mozarts führt den Bio­graphen in die damaligen Culturzustände ein, die mit umfassender wissen­schaftlicher Genauigkeit charakterisirt werden. Die eine Seite derselben, das musikalische Treiben, wird mit einer Sorgfalt und Ausführlichkeit charakterisirt, daß der spätere Geschichtschreiber nicht mehr darüber hinaus kann, aber auch die übrigen Zweige der Cultur sind nicht blos berührt, sondern zum Theil, freilich nur innerhalb des Umfangs, der durch den Gegenstand geboten war, erschöpfend behandelt. Wir machen z. B. auf die interessanten Mittheilungen über den Einfluß des Freimaurerordens, dem auch Mozart wie so viele große Männer jener Zeit mit voller Seele angehörte, auf das öffentliche Leben und die Gesittung jener Periode aufmerksam. Bei weitem aber das Größte, was Iahn geleistet hat, liegt in dem seinen Verständniß, mit welchem er das künst­lerische Schaffen Mozarts charakterisirt.

Es gehört zu den interessantesten Fragen, welche die Betrachtung eines Kunstwerks in uns hervorruft, wie das entstanden sei, was uns so mächtig bewegt. An eine vollständige Lösung dieser Frage läßt sich nicht denken, es hat schon die größten Schwierigkeiten, sich ihr auch nur zu nähern. Von einer unmittelbaren Beobachtung des Schaffens durch einen Fremden ist na­türlich gar nicht die Rede, und was das Schlimmste ist, der schaffende Künst­ler selbst hat in der Negel über seine Thätigkeit kein bestimmtes Bewußtsein, wenn auch der bekannte Ausspruch Goethes gegen Schiller, daß das Genie als solches durchaus bewußtlos verfahre, mancher Restriktionen bedarf, um nicht mißverstanden zu werden. Will man endlich versuchen, aus dem Kunst­werk heraus nachträglich die Operation zu analysircn, aus der es hervor­gegangen ist, so wird dieser Versuch um so weniger gelingen, je vollständiger