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jetzt aber mit der Absicht, auf dem Wege eines Vergleichs den gestörten Frieden wiederherzustellen und zu erhalten, mit der katholischen Majorität Hand in Hand ging. Er gehörte der Partei an, die in Deutschland ihr Ebenbild in den Großdeutschen, in den Vereinigten Staaten ihr Seitenstück an den Hunkerdcmokraten hat. Er wollte die alte Union wiederherstellen. Eintracht macht stark! war sein und seiner Kollegen Wahlspruch. Die Liberalen wollten davon nichts wissen, sie bezeichneten das Benehmen des neuen Premiers als schmachvollen Fahnenwechsel, und in der That war es schwer zu begreifen, wie ein Mitglied dieser Partei nach dem Sturze deS ersten liberalen Ministeriums es über sich gewann, Chef eines vorwiegend der katholischen Partei angehörenden CabinetS zu werden. DaS Land indeß war mit dem Programm deS neuen CabinetS, nach welchem jeder der streitenden Theile des Friedens halber etwas ab- und zugeben sollte, im Allgemeinen zufrieden, und da Nothomb die von ihm erstrebte Ruhe dazu benutzte, um alle Kräfte dem Gebiete der Interessen, in denen die Parteien einig waren, zuzuwenden, und dabei eine rastlose Thätigkeit, so wie ungewöhnliche Umsicht entwickelte, so blieb er geraume Zeit hindurch der Mann der Situation.
Ueber die eigentliche Tragweite seines Systems aber täuschte er sich. Man hebt die Gegensätze nicht auf, indem man von ihnen absieht. Nur der con- stitutionelle König soll parteilos sein. Eintracht macht stark — im Kampfe mit äußern Mächten. Im Frieden mit dem Ausland bewirkt sie einen faulen Frieden. In Belgien aber hatte diese Eintracht eine noch verhängnißvollere Bedeutung. Die Klerikalen nahmen sich- den Löwenantheil des Ergebnisses ihres Sieges, sie waren einig in dem, was sie wollten, sie hätten, wenn keine Aenderung des Verhältnisses eingetreten wäre, der Gegenpartei allmälig den Boden unter den Füßcn weggezogen. Die letztere ließ sich aber nicht täuschen. Die von dem Ministerium aufgestellten Grundsätze der Versöhnung verhinderten nicht, daß der Kampf der beiden Parteien um den Sieg bei den im Juni 1841 zur Ersetzung der im Herbst austretenden Hälfte der Abgeordneten vorgenommenen Wahlen mit Leidenschaft geführt wurde. Es trat hierbei zwar keine bedeutende Veränderung im Verhältniß der Vertretung der beiden Parteien ein, doch war es bezeichnend für die Bewegung der öffentlichen Meinung, daß die Kandidaten der Liberalen überall mit starker Majorität, die der Klerikalen dagegen in den Hauptstädten mit geringem Ueberwiegen der Stimmenzahl wieder gewählt wurden.
Nach den Wahlen legte sich die Aufregung, und zwar um so mehr, als später die belgischen Bischöfe, wahrscheinlich aus Weisungen von Rom hin, ihr von den Liberalen mit Energie bekämpftes Gesuch um Verleihung der Civilpersonification für die katholische Universität Löwen zurücknahmen, und es geschah sogar, daß die Durchführung des Gesetzes über den Primärunter-