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zeit im Circus statt, und zuweilen auch noch später; auch Gladiatorenkämpfe wurden ausnahmsweise hier veranstaltet, besonders größere.
Von all diesen Schauspielen, so anziehend und zum Theil durch die Personen der Theilnehmenden ausgezeichnet sie waren, vermochte keines das Interesse der römischen Bevölkerung so gänzlich und für die Dauer zu sesseln, als daS Wagenrennen. Dies Interesse wurde nicht wie bei den heiligen Spielen der Griechen durch die Wettfahrenden selbst erregt. In Olympia und Nemea, in Pytho und auf dem JsthmoS waren es bekanntlich nicht nur freie und unbescholtene Männer, Jünglinge und Knaben, die um den Oel- oder Lorbeerkranz rangen, sondern in der Regel Abkömmlinge der edelsten Geschlechter, die Blüte der hellenischen Staaten, und ihre Siege gereichten zugleich ihrer Vaterstadt zur höchsten Ehre. In Rom war jeder, der sich zu einem Schauspiel hergab, verachtet und unehrlich; daher waren die Wagenlenker Menschen auö den niedrigsten Ständen, höchstens Freigelassene, gewöhnlich Sklaven, mit Geld für ihre gefahrvollen Prvductionen abgelohnt, im Fall des Mißlingenö der Peitsche ihrer Aufseher verfallen. Zwar mit der zunehmenden Korruption und Entartung der römischen Gesellschaft in der Kaiserzeit änderte sich die Stellung dieser CircuSkutscher^ sie wurden so gut wie die Gladiatoren die Helden des Tages, deren Namen in jedermanns Munde waren, deren Statuen durch ihre Menge das Erstaunen der Fremden erregten, und deren Reichthümer von ehrlichen Leuten mit Kopfschütteln und Seufzen über die Verdorbenheit der Welt berechnet wurden. Aber das Interesse des Publi- cumS galt ihnen auch in dieser späten Zeit nur mittelbar, und ursprünglich gar nicht, sondern in erster Reihe den sogenannten Parteien oder Factionen. Dem Bedürfniß der Menge, bei jedem Wetlkampf für und wider Partei zu nehmen, wurde im römischen Circus durch die Farben entsprochen, durch die die rennenden Wagen bezeichnet waren. Vier Wagen rannten gewöhnlich, ihre Farben waren weiß, roth, grün und blau. Ehe diese Einrichtung Bestand gewonnen, und Parteien für jede Farbe sich unter dem Publicum consolidirt hatten (was im ersten Jahrhundert nach Eh., hauptsächlich durch die leidenschaftliche Betheiligung der Kaiser Caligula, Nero und VitelliuS geschah), überwog das Interesse an den Fechterspielen die Theilnahme für den CircuS. Seitdem aber das Feldgeschrei der Farben gewonnen worden war, concentrirte sich daS Interesse der Massen in der Rennbahn so völlig, daß eS alle andern Neigungen und Leidenschaften absorbirte: nichts charakterisirt so sehr die geistige und sittliche Verwilderung des spätern Rom, als daß der CircuS und seine Parteien für die ungeheure Mehrzahl seiner Bewohner in allen Ständen der Gegenstand der lebhaftesten Wünsche, Befürchtungen und Hoffnungen und der Herd einer permanenten Ausregung war. Die'Regierungen sahen dem Treiben der Parteien nicht nur gleichgiltig zu, sondern beförderten eS auch in