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Zur Situation in Ostindien.
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besitzen, und wollte die Citadelle von Aqra dazu ausersehen. Diese Magazine waren Sepoys allein anvertraut, weil Delhis Klima in dem Rufe steht, daß es dem Europäer nicht zusagt, und die Negierung eS vermeidet, sie nahe einer so großen Stadt zu quartieren.

Wenn wir uns die augenblickliche Lage der Dinge vergegenwärtigen, so möchte nach den Nachrichten, die unS bis jetzt zugekommen sind, sich folgendes Bild entwerfen lassen. Bengalen befindet sich von Ben'ares bis Delhi theils im Aufstande, theils in einem unsichern Zustande; im Süden ist Lacknau Sam­melpunkt der Meuterer, im Norden bildet Delhi den Centralpunkt der ganzen Bewegung. Desgleichen ist den Truppen des Gwalior und dcS Najah von Jndore nicht zu trauen; ihre Fürsten zeigen sich treu!

Delhi ist nur von einer hohen Mauer umgeben und kann ohne große Vorbereitungen gestürmt werden, der Kamps in den Straßen wird leicht zu leiten sein, weil diese breit und regelmäßig die Stadt durchschneiden. Aber hier befinden sich 180,000 bis 200,000 Einwohner, mit wenigen Ausnahmen Muselmänner (unrichtig, eS sind deren nur 70,000 in der Stadt. D. Red.) von denen kaum der dritte Theil dieser Bewegung abhold ist, die übrigen werden sich freiwillig dem Kampfe anschließen. Der König, den man spottweise den Schattenkönig nannte, ist ein im Müßiggange und in den Freuden deS Harems aufgewachsener Herr. Aber da er und seine Rathgeber die Bewegung wahrscheinlich angesponnen haben, und alles sich um ihn geschart hat, so muß er das Aeußerste versuchen. ES ist daS letzte Aufglimmen der Mongolen.

An Einheit in der Leitung wird in Delhi nicht zu denken sein, es wer­den ebenso viel Befehlende als Gehorchende im Rathe und im Kampfe sich zeigen. Die Aufregung, die Schwelgereicn und die Grausamkeiten, welche in diesen Mauern herrschen, werden eine um so schrecklichere Verwirrung anrich­ten, weil pestartige Krankheiten: Cholera und Fieber furchtbar daselbst wüthen, und Hunderte Sterbender und Verwundeter vergeblich um Hilfe schreien, indem an ärztliche Hilfe nicht zu denken ist. Beinahe alle haben daS Gefühl, daß, wenn die Engländer stürmen, ein Pardon nicht zu hoffen ist, und baß dann die rächende Hand ebenso schonungslos wüthen wird, ja, wir müssen leider hinzusetzen, wüthen muß, wie einst Nadir Schah Tausende auf derselben Stelle hinschlachtete. Dadurch, daß Delhi nicht gleich im Anfang wiedergenommen werden konnte, sind die Engländer gezwungen, sich bis zum October auf 'der Defensive zu verhalten; denn erst war es die heiße Jahreszeit, und nun ist es die Regenzeit, welche alle Truppenbewegungen überaus beschwerlich machen. Auch kann man die andern LandeStheile nicht mehr von europäischen Truppen entblößen.

Die Armee kann von Bombay auS auf zwei Operationslinien Verstärkung erhalten: zu Lande über Agra, oder zu Wasser aus dem JnduS; diese werden