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Ein Voltairianer des 19. Jahrhunderts.
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Declamationen gegen die Ehre wurden durch eine angeborene Bravour auch ästhetisch gut gemacht. Er war ein ausgezeichneter Gesellschafter; seine per­sönliche Unterhaltung soll noch weit interessanter gewesen sein, als seine schriftliche. Auf Widersprüche kam es ihm nicht an, weil er jedem Augenblick des Lebens das gleiche Recht der Empfindung zuschrieb. Sein Spott war leb­haft, znweilen glänzend, aber inhaltlos, ohne Behagen, bitter ohne sittlichen Hinterhalt. Er glaubte an nichts und mochte doch von gewissen Dingen nicht reden hören. Einige Monate vor seinem Tode schrieb er: ^<z me 8uis eollelv svki: lv riLiuil: esst le passo^e cM est <Z6saArLÄblL, et cettv norreur provl- (int, cls toutss l<zs maisvriös qu'cin noUs », mises Zans les lstss a trois ans.

Seine erste Schrift waren die wiener Briefe über Haydn, Mozart und Metastasio 18-Ii-, zum großen Theil eine Ueberarbeitung bekannter deutscher und italienischer Artikel, wie denn überhaupt Beyle sich geru auf schon vor­handene Quellen stützte, die er nur ganz leicht überarbeitete. Auch in der Musik neigt sich sein Geschmack den Italienern zu. Wenn er Mozart gelten läßt, so ist das kein Widerspruch; über Beethoven spricht er sich höchst zweifel­haft, und über Weber mit souveräner Geringschätzung aus. An diese Jugend­arbeit schloß sich 1823 das Leben Rossinis, seines Lieblingscomponisten. Da­mals gehörte einige Kühnheit dazu, die italienische Musik über die französische ZU setzen; der Patriotismus war noch zu aufgeregt, um ein unbefangenes Ur­theil zu erlauben. Jetzt macht manche Paradorie den Eindruck eines Gemein­platzes. Das letzte Buch hat in der guten Gesellschaft Glück gemacht und ver­dient es wegen seines liebenswürdigen Tons. -1817 folgte die Geschichte der italienischen Malerei, das Werk, welches er am sorgfältigsten aus­gearbeitet hat, in dem er die Früchte dreijähriger Arbeit niederlegte, und dessen geringen Erfolg er daher mit großer Bitterkeit empfand. Die italienische Kuust ist vielleicht der einzige Gegenstand, über den er sich mit Enthusiasmus ausspricht; nur ist er zu weuig eigentlicher Kenner, um diesen Enthusiasmus objectiv zu begründen. Die Art und Weise, wie er die Eindrücke jener Gemälde auf seine Seele analysirt, erinnert an die spätern Versuche, Werke der Tonkunst ins Poetische zu übersetzen. Die augeublickliche Stimmung ist maßgebend. Zudem verräth es eine gewisse Einseitigkeit, wenn er den christlichen Inhalt der Kunst als entweder platt oder häßlich bezeichnet. Trotz aller Verirrungen der christ­lichen Richtung muß man doch, um die italienische Kuust richtig zu würdigen, im Staude sein, sich das christliche Ideal poelisch zu versinnlichen. Im Stillen schwebt ihm aber stets daS rein sinnliche antike Ideal vor, sogar mit einer gewissen Vorliebe für das priapische Element. Die Composition des Buchö ist um so wunderlicher, da sie das Gegentheil der Naivetät verräth. Es ent­hält die Lebensbeschreibungen Leonardos uud Michel Angeloö, und dazwischen eingeschoben eine Theorie deS Schönen (lv bc-au n'esl ML la snMis cw I'utllk),