1V1
freute sich an dem Hohn gegen diesen falschen Ernst, gegen diese Begeisterung für hohle Abstractionen und nahm gern etwas Cynismus mit in den Kauf.
Geboren 1783 zu Grenoble, zeichnete sich Henry Beyle schon auf der Schule durch schnelles Verständniß aus. Sein Vater wollte ihn auf die Polytechnische Schule schicken und ließ ihn daher Mathematik studiren. Sein Geschmack trieb ihn eigentlich zur Musik. 1799 kam er nach Paris mit Empfehlungen an die Familie Daru versehen, die ihm eine Stelle in der Armee verschafften. Er ging 1800 nach Italien, und glaubte hier in dem goldenen Land seiner Träume zu sein, während er gegen die strenge Erziehung im väterlichen Hause einen dauernden Haß bewahrte. VIos parents et nos min- trss 8ont, nos ennölnis naturels auanä nou8 enrrons ckans 1s monclö. In das lockere Leben der Italiener wußte er sich sehr schnell zu finden; der Dienst zvH ihn wenig an. Er war tapser im Duell wie im wirklichen Kampf, aber verabscheute die Disciplin und fand 4803 eine schickliche Gelegenheit, stine Entlassung zu geben. Er kehrte zuerst nach Hause zurück, wo er durch seine Husarenredcnsarten die Entrüstung seiner Familie erregte, und ging dann nach Paris, seine Studien fortzusetzen. Er lernte Englisch und las die Schriftsteller des 18. Jahrhunderts, hauptsächlich aber bewegte er sich hinter den Coulissen. 180S nahm er vorübergehend eine Stelle in einem marseiller Handelshause an. Im folgenden Jahr trat er wieder in Dienst, fand in Braunschweig Gelegenheit, sich selbst und die Feldkasse zu bereichern, und »nachte den östreichischen Feldzug mit großer Auszeichnung mit. DaS verschaffte ihm 1810 eine bedeutende Stelle. Er folgte der großen Armee nach Rußland, von wo er höchst blasirt gegen die Menschen und Dinge zurückkehrte. Die Restauration endigte seine officielle Stellung, und bis 1830 lebte er als Privatmann bald in Mailand, bald in London, bald in Paris. Doch blieb Italien sein Lieblingsaufcnthalt, er lebte sich ganz in die Sitten des Volkes ein, verschwendete in anmuthigen Abenteuern sein Vermögen und gab sich, Noch in seiner Grabschrift für einen geborenen Italiener aus. Die Julirevo- luiion machte ihn zum Konsul in Civita Vecchia, wo er in einem gastfreien Hause die Fremden empfing und ihnen gern als Cicerone diente. Vom Schlage gerührt, starb er plötzlich zu Paris 1842.
Von stark sinnlichem Temperament und einzig in Liebesabenteuern seine Befriedigung suchend, empfand er seine Häßlichkeit mit geheimem Unbehagen. Dieser Umstand erklärt vieles in seinen Ideen; denn der Cynismus verräth fast niemals eine befriedigte Existenz. Mit seinem leidenschaftlichen Haß gegen das, was die Engländer earit nennen, gegen den falschen Ernst, gegen die Heuchelei, gegen den Idealismus überhaupt, und seiner Vorliebe für die Naivetät spielte er doch eine Rolle. Es kam ihm darauf an, als Dichter originelle Charaktere zu schaffen, und ein origineller Charakter zu sein. Für