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jedem Siege der Engländer und Franzosen eine Annäherung an den Frieden hofften. Aber grade in dieser engherzigen, nur auf einen einzigen Zweck gerichteten Auffassung liegt die erste Quelle zu zahlreichen Irrthümern im Verständniß der politischen Begebenheiten, die nicht allein mit der Fondsbörsenelle gemessen werden können, und das Unrecht, das man den Börsen anthut, sie als den politischen Barometer anzusehen. Daß die Sachlage nicht klarer dadurch wird, daß auch der Börsenmann seine politischen Ansichten und Wünsche hat, sie mindestens haben kann, versteht sich von selbst. Der bedenklichste Umstand ist aber der, daß er meist nur von 14 zu 14 Tagen oder von Monat zu Monat rechnet, den üblichen Terminen der Lieserungsgeschäste, und dadurch nothwendig in die Lage kommt, den Einfluß einer jeden Begebenheit zunächst auch nur aus diesen Zeitpunkt hinaus zu verfolgen. Diese doppelte Befangenheit ist es denn auch, die ihn so leichtgläubig jedem Gerüchte Preis gibt, von dem er eine Einwirkung auf die Kauflust deS Publicums voraussetzt. Dieser Impuls wird um so stärker, je mehr z. B. Terminabrechnungen fern stehen oder drängen oder fonstwie ein größeres oder geringeres Bedürfniß nach baarem Gelde da ist, wie beim kleinen Fondöhändler; am stärksten äußert er sich aber bei einem großen Theile des draußen stehenden Publicums, das sich alsdann getrieben fühlt, seine Effecten mit möglichst geringem Verlust wieder los zu werden oder bei der Hausse den höchsten Gewinn zu realisiren und so die von den Börsen gegebene Richtung noch verstärken hilft. Es ist dies eine Kette von Wirkungen und Ursachen, deren Glieder stets ineinandergreifen, und welche die Fondsbörse selbst unter dem Namen „Meinung" als Cultus deS blinden Ungefährs zusammenfaßt. Zuweilen gelangt diese „Meinung" sogar in das Stadium einer gewissen Verrücktheit, denn man hat öfter und auch neuerdings erlebt, daß die „Börsen" sich in wahnwitziger Hast den Ausgeburten der wildesten Projectmacherei und den allerbedenklichsten Coursen ergaben; psychologisch gewiß eine interessante Erscheinung bei Männern, die nur an Procente glauben. Gewöhlich beginnt der „Schwindel", wie die ruhiger gebliebenen Leute diesen Zustand bezeichnen, damit, daß irgend ein im Bereich der „Börsen" liegendes Institut ungewöhnlich hohe Course und große Dividenden verspricht, während zu gleicher Zeit aus irgend welchem Grunde Capitalien und eigentlich kaufmännischer Unternehmungsgeist etwas brach liegen. Man stürzt sich auf Nachahmungen, ein ganzes Heer von Jndustrierittern entsteht, welche allenthalben dabei zu Gevatter stehen und den Rahm von der Milch abschöpfen, bis endlich mit der ernüchterten. Phantasie und den leerer gewordenen Geldbeuteln die Verhältnisse wieder normal werden. Wir haben einen solchen Zustand rMter Anwendung auf die heutige Zeit bereits in einem frühern Artikel geschildert.
Die jetzige Politische Unzurechnungsfähigkeit der Börsen hängt