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Skizzen aus der Moldau. 2. : Klöster und Geistlichkeit.
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brauch zu treiben mit der ihnen gestatteten Freiheit, in stiller Demuth und strenger Ausübung ihrer Pflichten, dem Alter entgegenleben. Zu der zweiten Kategorie gehören alle die Frauen und Mädchen ans den untersten Schichten der Gesellschaft, die ins Kloster gehen, weil ihnen das Leben zu Hause zu hart vorkommt, das Kloster besitzt Güter, die bedeutende Einkünfte abwerfen, und unterstützt sie mit Kukuruzmehl und Brennholz; sie spinnen und weben in ihren Zellen und verkaufen dann die Frucht ihres Fleißes in der Umgegend. Es ist ein kümmerliches Leben, das sie führen; von aöcetischen Träumereien ist natürlich keine Rede; sogar die Religion versinkt ihnen, die vollkommen unwissend sind, fast ganz in den Schlamm des Aberglaubens; es ist die Existenz des Tage­löhners mit dem einzigen Unterschiede, daß die Nonne auch die Hände in den Schoß legen kann, wenn sie keine Lust zum Arbeiten hat, vor dem absoluten Hungertode ist sie gesichert. Zu der dritten Classe haben wir vorzugsweise den Leser geführt, weil sie eS ist, mit der der Fremde ausschließlich in Berührung kommt, wenn seine Neugier ihn in ein Kloster treibt. Er hat nach einem ver­gnügten Abend die Frauen verlassen mit dem Gedanken, eS sei doch ein herr­liches, fröhliches Leben in so einem Kloster, und doch ist diese Existenz ein namenloses Elend. Diese dritte Kategorie besteht fast durchgehends aus Töch­tern der höheren Stände; die Zahl dieser sogenannten Nonnen wird hoffentlich keine neue Generation mehr in sich aufnehmen; denn die Art und Weise, wie sie ins Kloster gekommen, ist dem Geiste der Gegenwart dergestalt zuwider, daß eine Einkleidung unter ähnlichen Verhältnissen zur Unmöglichkeit wird. Familien, die viele Töchter hatten, oder deren Vermögen nicht groß genug war, um auch die Zukunft der Söhne zu sichern, brachten ihre Mädchen im Alter von 10 12 Jahren in die Nonnenklöster. Das klingt ganz einfach, folgt man aber der Sache in ihre Einzelnheiten, so entfährt der Brust unwillkürlich ein Schrei der Entrüstung. Die Mutter packt eines schönen Morgens.die kleinen Siebensachen ihres Kindes zusammen und setzt es zu sich in den Wagen, der Vater gibt kaltblütig seinen Segen dazu. Man kommt ins Kloster. DaS Kind wird irgend einer bekannten Nonne übergeben; daS arme kleine Wesen schaudert instinctartig bei dem Anblick der schwarzen Gestalt; es klammert sich furchtsam an die Mutter und weint still und fleht: ich möchte zu­rück zu meinen Geschwistern! Die Kleine wird sich schon gewöhnen, meint die Nonne. Gewiß, erwidert Mama und setzt sich in den Wagen, Und der Wagen rollt fort, der Schutz, den das arme Kind von jetzt an von seiner Mutter zu erwarten hat, ist so viel werth, wie die Staubwolke, die der Wind da unten verweht. Nun beginnt eine harte Zeit. An Aeußerungen zärtlicher Liebe war daS Mädchen im elterlichen Hause vielleicht nicht ge­wöhnt, aber doch an einen gewissen Grad von Bequemlichkeit an Dienst­boten hatte eS ja nicht gefehlt. Jetzt wird die Kleine als Laienschwester selbst

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