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Das rumänische Landvolk. 1.
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schließt das Lied mit einem Fluch. Die Brüder zerstreuen ihre Asche in alle Winde und gönnen ihr selbst im Tode keine Ruhe:

Sündger Leib! Im Mutterschoß der Erde Finde nie des Christen letzte Ruh! Treibe dich der Sturm über neun Meere Und neun Ländern sandger Wüsten zu!

Weniger verletzend ist das Lied von Vidra und dem Popen Stojan Schoim. Dieser, dem Altare entlaufen, zieht mit seiner Frau durch den Wald nach der Wohnung ihrer Eltern. Unterwegs fordert er sie auf, ein Lied zu singen. Sie weigert sich, aus Furcht vor dem Waldgeiste, den dies herbei­locken könne. Er nöthigt sie und sie gibt nach. Auf ihren Gesang kommt wirklich der Walvgeist, verlangt von Stojan erst seine Frau, dann sein Pferd, endlich sein Schwert, und als er auch dieses nicht erhält, greift er ihn an. Sie ringen und bald scheint es, als ob Stojan unterliegen müsse. Er ruft seiner Frau zu, ihm zu helfen. Sie aber weigert sich dessen: Sie kämpften auf Treu und Glauben, und wer Sieger bleibe, solle ihr Mann werden. Da rafft sich Stojan ingrimmig zusammen, wirft den Gegner nieder, daß er bis zum Gürtel in den Boden sinkt und haut ihm den Kopf vom Rumpfe. Dann geht er daran, Vidra zu strafen. Sie antwortet ihm auf seine Vorwürfe, sie habe recht gesprochen; denn nur den Tapfern könne sie lieben. Er geht zu Drohungen über und verräth Neigung, ihren Kopf als Knopf auf einen Heuschober zu stecken. Sie entgegnet, das möge er thun und dabei von einem Weibe lernen, wie ein Mann zu sterben. Ergrimmt stürzt Stojan auf sie zu, schlägt ihr Kops und Brust ab und wirft sie den Berg hinunter. Dann geht er zu den Schwiegereltern und deutet ihnen auf ihre Frage nach Vidra in höhnenden Worten das Schicksal der Ermordeten an. Aber kaum hat er ge­sprochen, als drei Blitze Hernieverfahren und ihn erschlagen.

Zum Schlüsse dieser Anbeutungen deö Charakters der rumänischen Volks- pocsie lassen wir einen Theil des obenerwähnte» in Prosa mitgetheilten Liedes folgen, welches den TitelMichu, der Jüngling" führt und sehr alt zu sein scheinr. Der Anfang schildert, wie der junge Held jauchzend und sein Horn blasend den Berg Barbat hinauf durch den Wald von Hertza reitet. Es ist Mitternacht. DaS Laub ist dicht, ver Walb dunkel, der Weg mit Steinen besäet, aber sein Brauner schlägt den Boden mit den Hufen, daß Funken "us den Steinen sprühen und die Nacht wird hell wie der Tag.

Er ziehet sort und ziehet, die Spur verschwindet unter den abgefallenen Blättern, auf den kaum bemerkbaren Pfaden. Er ziehet fort und fort, mein Verwegener, weckt die alten Wälder mit dem Knall der Blätter in seiner hohlen Hand und spricht: ,,Nur immer zu längs dem AbHange, Brauner warum Zerläßt du den Weg und lenkst jener Höhe zu? Verwundet dich der Metall- Grenzboten. II. -ILö7. 60