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gleich begeistert ist, folgendes charakteristische Urtheil: „Keine derselben begnügt sich damit, ein bloßes Lebensgemälde zu sein. Als solchen fehlt ihnen vielmehr Localfarbe, Wahrscheinlichkeit, Begebenheit, oft selbst die äußere Wahrheit und Formfestigkeit. Die handelnden Personen sind bei Schefer nicht Menschen, wie wir sie stündlich um uns sehen, die Dinge der Erde geschehen nicht auf die herkömmliche und bekannte Art, die Handlung spielt in keiner gegebenen Zeit. Von allen diesen äußerlichen Erfordernissen der Wahrheit ist nichts gesucht und erstrebt, und wo es sich findet, tritt es nur wie zufällig und absichtslos ein. Dagegen ist die zarteste Innerlichkeit und in dieser Wahrheit bildende, belehrende Kraft sein wahres unverrücktes Ziel. Die psychologische Wahrheit im höheren Sinne, der ideale Mensch je nach seiner Naturanlage, die Geschichte des Herzens, die praktische Weisheit der als Parabel gefaßten ^Begebenheit, das sind seine Zielpunkte . . . Mit diesen Gebilden, voll innerer Wahrheit und äußerer UnWahrscheinlichkeit flüchtet er besonders gern in den Orient oder doch in das Dunkel entfernter Zeiten un entrückt sich so dem gemeinen Maßstab . . . Wo er aber unter uns bleibt, in ' Deutschland, da ist meist Beschränkung, Armuth, Entsagung, die Last des Daseins, die zum Gefühlvollen hindrängt." Von einem Freunde und Bewunderer ausgesprochen, sind das ziemlich harte Vorwürfe, und sie fassen in der That das Meiste zusammen, was man gegen die Poesie ScheferS einwenden kann. Wir haben unS über den Gegenstand mehrfach ausgesprochen, doch regen die Novellen und Gedichte Schefers zu so vielseitigem Nachdenken an, daß wir' nach dem Abschluß derselben noch einmal darauf zurückkommen. Hier beschränken wir uns auf die nähere Mvtivirüng eines Vorwurfs, indem wir die Krankhaftigkeit dieser Poesie in ihrem innersten Nerv bloßgelegt zu haben glauben: der Vorwurf deS Pantheismus.
Wir lassen die metaphysische und nioralphilvsophische Seite des Pantheismus unbeachtet. Die schädliche Einwirkung desselben auf das praktische Leben ist geringer, als man glaubt. Wie die Metaphysik zwei gleich unwiderlegliche Thatsachen, die Thatsache des allgemeinen Causalgesetzes und die Thatsache der menschlichen Freiheit miteinander in Einklang bringt, mag für die Wissenschaft Interesse haben, die wirkliche Sittlichkeit wird dadurch nicht angefochten. Beiläufig bemerkt, liegt die Schwierigkeit gar nicht in dem realen Gegensatz der beiden Begriffe Nothwendigkeit und Freiheit, sondern nur darin, daß man aus der gewöhnlichen Vorstellung Momente hineinträgt, die ihnen eine falsche Farbe geben, nämlich in die Nothwendigkeit das Moment der Blindheit, in die Freiheit daS Moment der Willkür oder des Wunders. Wie dem auch sei, die Existenz der Seele mögen die modernen Materialisten bestreiken, die Existenz folgender Thatsachen können sie nicht in Abrede stellen. Jede That hat ebenso, wie ihre physische, ihre moralische Folge in der Form des Gewissens.