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Literatur.
Monatsschrift des wissenschaftliche» Vereins in Zürich, Herausgegeben von dem NcdactionSausschuß desselben: Ferdinand Hitzig, Ednard Osen- brüggen, Heinrich Frey, Adolf Schmidt, Heinrich Schweizer. Zürich, Meyer und Zeller. — Die interessanteste Abhandlung in den neuen Heften dieser Zeitschrift ist der Vortrag Wischers über Faust. Bei vielen der neuern Commentatoren dieses Gedichts wird man an die Art und Weise erinnert, wie Wilhelm Meister mit Hamlet umgeht. Er gibt das Drama für ein Meisterstück aus, macht dann aber einen Vcrbesserungsentwurs, uach welchem die Scenen beliebig dnrcheinandcrgeworfen, die Reihe der Personen beschränkt, die Charaktere miteinander vertauscht werden, kurz, eine radicale Umbildung, in welcher nur die Krastsceuen bleiben. Auch beim Faust fühlen die eifrigsten Bewunderer dunkel heraus, daß sich in dem Plan manches Unverständliche, in der Ausführung manche Lücke und mancher Widerspruch vorfindet. Dennoch gehen sie nur selten so weit, gradczu einen Tadel-gegen den Dichter auszusprcchcn. In der That wären auch alle diese Mäkeleien vollkommen überflüssig nnd es würde eine Thorheit sein, sich den Genuß dieser herrlichen Rhapsodien durch Anlegung eines künstlerischen oder philosophischen Maßstabes zu verkümmern, wenn man nicht durch die falschen Verehrer des Dichters dazu gezwungen würde. Die Einen haben ungefähr in der Art, wie die hegelsche Philosophie das Christenthum auslegt, aus dem Faust ein philosophisches Lehrgebäude gemacht, in welchem jedes Wort dnrch innere Nothwendigkeit eingegeben sein sollte; sie haben eine Metaphysik daraus hergeleitet, die an sich höchst absurd ist, und von der in Göthes Gedicht nichts Anderes vorkommt, als einige unzulängliche Bilder und Symbole. Die Andern haben gar den FaNst auf das Theater gebracht, und grade der Beifall, den das Stück nicht bei dem naiven Publicum, sondern bei dilettantischen Freunden der Dichtkunst gefunden hat, die in einem Kunstwerk hauptsächlich Bildung verlangen, macht es nothwendig, dagegen zn protestircn. Die Kritik muß gradezu die Thatsache in Abrede stellen, daß ein Mensch von natürlichem Gefühl durch das Ganze des Stücks, wenn er es auf dem 'Theater vor sich sieht, lebcudig angeregt werden kann; daß er sich über die herrlichen Sprüche der Weisheit freut, die ihm die Schauspieler vordcclamiren, ist eine andere Sache. Der ganze Protest der Kritik gilt also nicht dem Dichter, sondern seinen verkehrten Bewunderern, die aus einer Anomalie des Genius eine Regel machen wollen. Bischer geht in der Kritik weiter. Obgleich er es nicht deutlich ausspricht, setzt er stillschweigend voraus, die Idee, welche man später, als der erste Theil des Faust fertig war, an den Plan desselben geknüpft hat, sei künstlerisch ausführbar gewesen, Und nach diesem Grundsatz mißt er Lob und Tadel ab. Er vergleicht die Ausgabe von 1790 mit der Fortsetzung von 1807 nnd findet, daß zwar die Neuen Scenen, die sich mit Gleichen beschäftigen, ganz im Sinn des alten Planes waren: „Das Andere aber, was jetzt eingeflochten wurde, ist in seiner Bedeutung für das Ganze theils zweifelhaft, theils offenbar störender, willkürlicher Zusatz. Der Dichter beginnt nämlich im Uebrigen ans eine bedenkliche Art an dem bis dahin Gedruckten hcrumzuarbeiten, verhält sich eigenthümlich skeptisch, unsicher zu seiner