«7
Gitter schließt sie ein; aber man hört sie doch, und bei der Dürftigkeit der römischen Kirchenmusik und der Abwesenheit fast aller andern Musik nach beendigter Saison, drängt sich die Fremdenwelt in Menge zu diesem durch das Geheimniß reizenden Genuß. Da zieht es denn in Scharen an Pepe vorbei und gefällig berichtet er seinen Freunden, ob die Kirche schon voll, ob der Gesang schon begann^ .ob noch Zeit ist, die hohe Kirchentreppe im gemächlichen Schritte zu ersteigen, ob schon diese oder jener drinnen ist. Ja, mit dem „diese oder jener" verdient so mancher Bettelmann und mehr noch so manches Bettelweib im alten Rom seinen Unterhalt! Wer kanns auch Pepe, dem Schutz- empfohlnen des heiligen Giuseppe verargen, wenn er hin und wieder den gefälligen Wegweiser macht, der auf der nahen Passegiata die Spur der schönen Südländerin dem Suchenden verräth, widersteht er doch der Versuchung, sich gleich so vielen seiner Genossen zum lebendigen Briefkasten zu machen, duftige Botschaften für andere aufzuheben und lächelnd den verschwiegenen Vermittler zwischen „dieser und jenem" zu machen — wer weiß freilich warum er widersteht, — vielleicht nur, weil sein Thron zu vielen Augen sichtbar ist.
Pepe würde in Neapel weniger Glück machen und zwar weil die fröhlichen Bettler dort recht eigentlich zu Hause sind. Sobald man sich an dem Fenster eines der Hotels am Strande von St. Lucia zeigt, grüßen nur halbbekleidete Betteljungen herauf und geben durch die drolligste Fingersprache zu verstehen, daß dampfende Maccaroni zu einem nicht verächtlichen Theile neapolitanischer Genüsse zählen. Die nämliche Geberde verfolgt den Zahlungsfähigen auf der Straße, aber nicht hungerleidend mit dem kläglichen Ko käme wie zu Rom, sondern neckend und so ausgelassen wie möglich, zumal wenn die bettelnden Possenreißer noch Kinder sind. Wie Kletten hängen diese kleinen Maccaroniliebhaber an des Fremden Fersen. Sie wissen sich bei aller Zudringlichkeit doch fern genug zu halten, um das Weite zu suchen, wenn deS Fremden gute Laune nach langer Ausbeutung endlich in nordische Grobheit umzuschlagen droht. In ihrer Rolle bleiben sie aber auch noch dann^ und wenn sie auS der Ferne, häufig nach durchaus erfolglosem Zeitverluste, ^clio rufen und immer wieder im Erzschelmentone, ^.clio, a reveclervi ^clio! ^cUo! da gesteht sich der mürrische Fremde nicht selten, daß er selbst von diesen Schelmen sich noch liebenswürdige Seiten aneignen könnte.
Die nämliche Begehrlichkeit nach Maccaroni findet man unter den Schiffern, unter den Lastträgern, eigentlich unter allen Gesellschaftsschichten beider Sici- lien verbreitet. Wenn der verstorbene König sich ein Gericht mit Maccaroni in seine St. Carlologe bringen ließ und es bei dem Klänge einer rossinischen Cavatine zum großen Entzücken ocs übrigen PublicumS verspeiste, so lag wol ein populärer Köder auf dem Boden der Schüssel, aber ohne allen Zweifel
9*