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Aus Berlin.
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°twas beigetragen Ueber den Zweck der Steuerforderung war zwischen der Mehr­heit und dem Ministerium eigentlich keine Differenz. Die Herstellung des drei­jährigen Präsensstandes wurde fast nur vou der constitutioncllen und katholischen Fraction. die noch nicht ein Viertel der Versammlung ausmachen, bekämpft. Die Gehaltsvermehrnng der Beamten wurde als eine Nothwendigkeit fast «on allen Seiten zugegeben. Aber über zwei Punkte gingen die Ansichten völlig auseinander. Die Opposition verlangte, das Ministerium solle die Vcrweudung der Gelder für d.e angegebenen Zwecke speciell nachweisen nnd gesetzlich sicherstellen. Sie behauptete zweitens, daß dieselben auch ohne neue Steuern auf anderweitigem Wege zu be­schaffen seien. Aus beides weigerte sich das Ministerium entschieden einzugehen. Die Verwerfung der Salzsteuer hätte daher die Lage desselben so kritisch gemacht, daß, so wenig die gegenwärtige Praxis der Verfassung in Preußeu den Bestand eines Cabinets von der parlamentarischen Mehrheit abhängig macht, i» diesem be­sondern Falle man sich allerdings die Frage vorlegen konnte, wie denn das Mi­nisterium, wollte es uicht ciuc moralisch fast unmögliche Kapitulation mit seinen Gegnern schließen, oder auf die Durchführung von Zwecken verzichten, die zum Theil völlig unabwcislich waren, gegen die Mehrheit fortfahren sollte sich zu behaupten, denn, daß eine Auflösung seine Lage nur verschlimmern konnte, darüber machte es sich gewiß so wenig selbst eine Illusion, als irgend jemand. Die gestrige Rede des Ministerpräsidenten trug daher einen gänzlich ungewohnten und höchst merkwür­digen Charakter. Sie stellte keine Cabinctssrage. aber sie verneinte sie auch nicht. Sie legte im Gegentheil die Schwierigkeiten, die für das Ministerium aus der Ablehnung der Salzsteuer erwachsen müßte», als so groß, so überwältigend, so ganz ohne Ausweg dar, daß sich eigentlich jedermann selbst die Conclusion ziehen mußte, hier bliebe nur noch der eine Entschluß übrig, die Verautwortung der Lage abzu­lehnen und sie andern zu überlassen. Dies und die dringliche, fast bittende Weift, mit der Herr v. Mantcuffcl dem Hause die Annahme der Salzstcucr aus Herz legte, hat höcbst wahrscheinlich der Regierung die kleine Mehrheit verschafft, mit der sie schließlich siegte. Denn man darf nicht vergessen, daß 14 Stimmen Mehr­heit durch den Umschlag von nur acht Abgeordneten Minorität werden. Unter den Fraktionen der Rechten sind aber nicht wenige Mitglieder, die einen Rücktritt des Cabinets und die Bildung eines Ministeriums der äußersten Rechten aus allgemei­nen und vielleicht auch aus individuellen Gründen als das größte aller Uebel fürchten. Endlich ist es unleugbar, daß bei der Salzsteuer die Regierung Gen ganzen Einfluß bei den Beamtcnabgeordnetcn aufgeboten hat, um eine Mehrheit zu erzielen. An der Durchsetzung der Gebäudesteuer verzweifelte man und die über- raschcude Mehrheit gegen sie erklärte sich zum Theil dadurch, daß der größte Theil im Hause sitzenden Beamten höchst unbekümmert gegen sie stimmte. Viele unter ihnen machten diese Kuudgcbung ihrcv Unabhängigkeit vielleicht um so lieber, als sie damit ihrem Votum sür die Salzstcuer im Voraus ein günstiges Relief gaben. Man muß nicht außer Acht lassen, daß unter den 73. die für die Gebäudesteuer stimmten, eine bedeutende Zahl rheinischer Abgeordneter ist. die sie als eine Ab­schlagszahlung aus die Ausgleichung der Grundsteuer ansahen.

Die Annahme der Gewerbe- nnd Actienstencr. die in der Rechten großen Bei­fall findet, ist gar nicht zu bezweifeln. Eine andere Sache ist es, ob das Herren-

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