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Briefe über Marine. 1.
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Nachdem einmal das Beispiel gegeben war, vermochte sich niemand dem Zwange der Nachahmung zu entziehen. Briten und Franzosen folgten den Amerikanern nach, wenn auch die ersteren mit einer gewissen Nückhaltung. Da trat zu Anfang der zwanziger Jahre der französische Artillerieoffizier Pairhans mit neuen Maximen auf, die schnell in weiten Kreisen Anerkennung fanden. Sein System beruhte auf der überlegenen Wirkung der Hohlkugeln im Gegensatz zu den Vollkugeln beim Schießen gegen Schiffsrümpfe. Er stellte als Hauptsatz auf, daß eine möglichst furchtbare Schifssartil- lerie nur aus Haubitzen oder, wie er daS von ihm construirte Marinegeschütz nannte, aus Bombenkanonen bestehen dürfe.

Man wird den Werth dieser neuen Artillerie ü la Pairhans. beurtheilen können, wenn man weiß, daß die kleinste auf den derzeitigen Kriegsschiffen Preußens im Gebrauch befindliche Bombenkanone einen Geschoßdurchmesfer von etwa acht Zoll hat, daß derselbe dem einer Bollkugel von 68 Pfund gleich kommt und daß die größten jetzt in England benutzten Pairhans- geschütze dreizehnzöllige sind; indeß wird man nur dann erst ihre ganze Furcht­barkeit ermessen, wenn man sich den Fall vergegenwärtigt, in welchem eine solche Hohlkugel in der Schiffswand stecken bleibt und darin crepirr. Die Wirkung der Sprengladung reicht nach den gemachten Erfahrungen aus, um die angrenzenden Ripphölzer zu zerbrechen und eine Oeffnung zu erzeugen, die, wenn sie sich in der Nähe der Wasserlinie oder unter Wasser befindet, nothwendig den Untergang des betreffenden Fahrzeugs herbeiführen muß.

Indeß trug man doch Bedenken, die Bewaffnung der Schiffe durch­gehend nach Pairhans' Grundsätzen zu normiren. Wenn auch von außer­ordentlich zerstörender Wirkung wiver Schiffswände und von großer Tragweile ist seine Artillerie bis heute noch ziemlich schwerfällig und langsam im Feuern. Außerdem sind Hohlkugeln gegen solides Mauerwerk nicht mir demselben Vor­theil anzuwenden, wie volle, indem sie an den harten Quadern zerschellen. Die Linienschiffe der Franzosen und Engländer führten daher bis zu der Einführung der Schraube nur auf dem unteren Deck einige Bombenkanonen, in der Regel nur zwei oder vier, und bei den Fregatten unv kleineren Fahrzeugen ging man nur selten über zwei hinaus.

(Fortsetzung im 2ten Briefe.)

Herausgegeben von Gustav Freytag und Julian Schmidt.

Als verantwort!, Redacteur lcgitimirti F. W. Grunow, Verlag von F. L, Herbig

in Leipzig.

Druck von C. E> Elvert in Leipzig.