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müssen aber dies Mal leider hinzusetzen, daß sie keine Fortschritte gemacht hat. Der gegenwärtige Roman, der die Zeit Mazarins behandelt, ist eine unmittelbare Fortsetzung des zunächst vorhergehenden, und man sollte annehmen, daß sich die Verfasserin durch unausgesetztes Studium der Quellen jener Zeit den Ton und die Farbe derselben würde angeeignet haben. Das ist aber nicht geschehen. Die Personen reden noch grade wie srüher in der Sprache einer Philosophie des 19. Jahrhunderts; ihr Denken, ihr Empfinden und ihre Handelsweise widerspricht auf das schreiendste allen Vorstellungen, die wir aus der Quelle jener Zeit geschöpft haben. Auch die zuweilen höchst romantischen Ereignisse sind nicht im Charakter jener Periode, wenigstens nicht Von der Art, daß sie jene Periode charakterisiren. Die Verfasserin sollte mit ihrer Production eine Zeitlang inne halten und gründliche Studien über die Zeit machen, die sie beschreiben will; denn sociale Romane kann man aus der Phantasie schreiben, historische nicht. Aber wenn ihre Studien ein fruchtbares Resultat haben sollen, so muß sie dieselben nicht auf die Geschichtschreiber beschränken, am wenigsten auf die philosophischen Geschichtschreiber, sondern sie muß die Quellen selbst zur Hand nehmen, denn nur aus ihnen lernt sie sinnlich darzustellen, wie man in jener Zeit empfunden, gesprochen und gehandelt hat. —
Historische Novellen von Carl Wei chsel b au mer. 3. Bde. Nürnberg, von Evnersche Buchhandlung. —
Die drei Bände enthalten die Novellen: Oswald der Törnnger, der. Prinzenzwist, und der Schloßhauptmann von Kuffstein. Der Verfasser gehörte, so viel wir uns erinnern, früher zu den beliebten Romanschriftstellern. Er schildert die historischen Begebenheiten nach der Anleitung eines Handbuchs, im Ganzen mit gutem Willen, aber ohne erhebliche Kenntniß und ohne alle Plastische Kraft. —
Sophie Charlotte, die philosophische Königin. Historischer Roman in drei Bänden, von Julius Bacher. Berlin, A. Duncker. —
Im Anfang macht dieser Roman, der in Berlin spielt, und zwar in der Zeit, da Preußen zum Königthum erhoben wurde, einen recht guten Eindruck; eS treten einige kräftig gezeichnete Gestalten auf, und man erwartet ein Sitten gemalde in der Art von Wilibald Aleris. Indeß der weitere Verlauf rechtfertigt diese Erwartungen nicht ganz. Die Geschichte zieht sich zuletzt in einer Reihe französischer Liebesabenteuer zusammen, die freilich am Hof Friedrichs I. auch vorkamen, die aber für die Zeit und das Land nicht grade charakteristisch sind. Der Verfasser, dessen Talent für den historischen Roman nicht zu verkennen ist, muß bei einem künftigen Versuch mehr auf die Quellen zurück-