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Einmal hat sie zuweilen vergessen, daß es nur ein einziges Organ des Denkens gibt, die Sprache, und daß man sich diese Sprache nicht selbst machen kann, sondern sie mit ihrem Wörtervorrath und ihren Gesetzen hinnehmen muß, wie sie gegeben ist. Das haben jene Männer verkannt, indem sie ein Wörterbuch, eine Etymologie und Syntar erfanden, die von dem Wörterbuch, der Etymologie und Syntar der deutschen Sprache himmelweit entfernt waren. Sie haben in dieser selbsterfundenen Sprache äußerst merkwürdige Entdecknngen gemacht, in Beziehung auf den Himmel wie auf die Erde, und man hatte eine große Freude darüber, so lange sich eine ziemliche Anzahl von Schülern fand, die diese Sprache erlernten und der unwissenden Masse die Versicherung geben konnten, es seien äußerst merkwürdige Dinge darin ausgedrückt. Aber diese anticipirende Genugthuung muß endlich einmal ein Ende nehmen, da daö Publicum sich nicht erwehren kann, nach den Resultaten jener Entdeckungen zu fragen. Die andern Wissenschaften bedienen sich freilich auch einer Kunstsprache, aber ihre neuerfundenen Worte sind stets die Ausdrücke für bestimmte concrete Begriffe, und wenn der Purist sich gegen die negativen Potenzen und die irrationellen Wurzeln auflehnt, so lange er nicht weiß, was damit gemeint ist, so wird er augenblicklich zum Schweigen gebracht, wenn man ihm die Berechtigung jener Kunstausdrücke -icl oeulos demonstrirt d. h. wenn die angewandte Mathematik ihm zeigt, daß man durch jenen Schlüssel die geheimsten Werkstätten des Weltalls aufschließt und den Inhalt derselben für den allgemeinen Nutzen verwerthet. Als die Philosophie dagegen Rechenschaft ablegen sollte, und zu diesem Zweck sich der schwierigen Aufgabe unterzog, ihre Lehren aus der selbsterfundenen Sprache ins Deutsche zu übersetzen, kam sie in die größte Verlegenheit, denn die wenigen positiven Resultate, die sie vorzeigen konnte, standen nicht im entferntesten Verhältniß zu ihren frühern Verheißungen, und je zuversichtlicher und anmaßender sich früher die Eingeweihten geberdet hatten, desto reichlicher ernteten sie jetzt Spott und Schande ein. — Der Grund jener seltsamen Vcrirrung lag theils in den alten scholastischen Ueberlieferungen, die man nicht ohne weiteres los werden konnte, hauptsächlich aber in der vermessenen Ueberhebung der Genialität über den gemeinen Verstand, die für jene Zeit charakteristisch war. Aus Verachtung gegen die sogenannte populäre Philosophie, die nur dasselbe sagte, was alle Welt ohnehin wußte, bemühte man sich, so unpopulär als möglich zu sein d. h. entweder wirklich etwas Anderes zu sagen, als die andern sagten,, oder es wenigstens so auszudrücken, daß es anders aussah. — Diese» Fehler wird die neue Philosophie vermeiden müssen. Sie wird sich zwar nicht beikommen lassen, der Menge, zu Munde zu reden, aber sie wird sich dazu verstehen, den Gesetzen der Sprache zu folgen, weil sie sonst nicht etwas Uebersinnliches, sondern Unsinn ausdrückt; und sie wird nur solche Kunstausdrücke anwenden, die sie ver-