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Deutsches Künstlerleben in Rom.
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ein unlösbares Räthsel, da er mit der englischen Sprache nie weiter gedieh, als um sie ihren Lauten nach etwa mit dem Säuseln des Negenwindes durch einen Haufen Hobelspäne zu vergleichen. Nach vielen vergeblichen Bemü­hungen des Mannes von jenseits sich demjenigen von diesseits verstandlich zu machen, gibt er den Versuch auf, unterhält sich noch eine Weile mit den drei jungen Damen in der Sprache seiner Väter, ohne dem Inhaber des Ateliers eine andere Ansicht als die eines Verlornen Profils zu gönnen und verab­schiedet sich dann Mit leichter Kopfbewegung, während die Töchter ohne Zeichen der Theilnahme für den menschlichen Inhalt dieser Dachbehausung, wie sie gekommen sind, wieder von bannen ziehen.

Sobald die Klinke geschlossen ist, tritt Marietta in Hut und Shawl auS der improvisirten Garderobe hervor. Sie hat keinen Schimmer mehr von Dankbarkeit" in ihrer Erscheinung. Es fehlen zwar noch 20 Minuten an Mezzo Giorno und ihre Sitzung hat erst um 10 Uhr begonnen, aber sie ver­langt ihren halben Taglohn d. h. den halben Scudo, und erklärt mit Ent­schiedenheit, diesem Signore sitze sie nicht wieder. Dies Mal ist ein Miß­verständniß nicht möglich. Wenn sie will, spricht eine Italienerin, auch ohne ihre Zunge zu gebrauchen, deutlich genug, um alle Sprachlehrer der Welt überflüssig zu machen. Um die Gekränkte nicht noch mehr zu reizen und den Mißton dieses Vorgangs nicht in die Auffassung seines Bildes zu übertragen, zahlt das unglückliche Opfer römischer Kunstmiseren, was Marietta verlangt; sie streicht dankbar die fünf Paoli ein, läßt einen Gran Schalkhaftigkeit in die Mischung von Verdruß und Versöhnlichkeit, aus welcher ihr Abschiedögruß besteht, einstießen, und schwebt im Geiste, als sie längst fort ist, dem Kunst­jünger noch als etwas doch in sich höchst Anziehendes vor, so lange sein Weg nach der Mittagstafel zum Lepre dauert, wo ihn Kellnerrufe und Frittigerüche ziemlich unsanft in die nüchterne er gewahrts plötzlich: in der That nüch­terne Wirklichkeit hineinschleudern.

Philosophische Versuche.

Daß die philosophische Productivität für den Augenblick erschöpft ist, füh­len die Philosophen nicht minder, als das Publicum. Eine zu starke An­spannung einer bestimmten einzelnen Kraft zieht unausbleiblich eine Reaction nach sich, und es dauert dann eine geraume Zeit, bevor die verschiedenen Kräfte sich wieder so weit ins Gleichgewicht setzen, um ohne Gefahr auch jener Seite wieder ihr Recht angedeihen zu lassen. Unzweifelhaft ist seit Kant bis m die Zeiten Feuerbachs hin in der Philosophie zu viel producirt worden, von

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